Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne Nummer 28/2019 „Demut“

Demut

Man könnte Demut für eine Kurzform von demotiviert halten. Das Erscheinungsbild ähnelt sich, und wenn man lange genug Versuche in seinem Leben gestartet hat, in den verschiedensten Richtungen, dann lernt man eine dieser beiden Formen der Tatenlosigkeit. Diese aber als Demut zu deklarieren und nicht als Demotiviertheit legt einen letzten Kern von Hoffnung frei, ohne den man am besten die Flinte ins Korn wirft oder gleich aus dem Fenster springt, wie Michel Houellebecq in seinem jüngsten Roman «Serotonin». Dieser Schriftsteller gilt ja als ein Seher, der bei allem Spielen mit dem Skandal als Werbemittel, ab und an den Nagel auf den Kopf trifft. Wer kann denn heute noch die Welt beschreiben, wenn nicht aus der Perspektive eines geistig Kranken. Auch ein anderer Autor der westlichen Welt, Martin Walser, schreibt auf den letzten Metern Romane, wie «Ein sterbender Mann».

Da kann man von Glück reden, dass es die Globalisierung gibt, und somit auch so Optimismus atmende Werke, wie die vom Chinesen Cixin Liu. Vielleicht ist die Wissenschaft als Religionsersatz doch eher der Ausweg aus der Sinnkrise. So kann man sich heute, vierhundert Jahre nach Galilei, leicht ausrechnen, dass einem, wenn man aus dem zwanzigsten Stock springt, ziemlich genau dreieinhalb Sekunden bleiben, die Endgültigkeit dieser Tat zu bereuen.

Demut bringt die Gefühle zu einem fast völligen Stillstand. Ob das gut ist, sei dahingestellt. In diesem Schweigen der Gefühle liegt vielleicht die Lehre, die noch durch die Sprachlosigkeit der Umgebung bestärkt wird, dass man selbst das Schweigen lernen sollte und zum Beispiel nicht jede Woche eine Kolumne schreiben.

Man fragt sich automatisch, ob man je wieder in Aktion treten sollte oder es als ein Akt der Solidarität mit den unvermittelt ins Schweigen oder sinnloses Daherreden Verfallenen, nicht besser ist, auch mal das Fallgesetz hervorzuholen und sein Ende zu planen. Das Schweigen ist da sicher der erste Schritt, denn solcherart Forschungen teilt man mit keinem, ist eine Sache, die man ganz mit sich ausmacht.

Auf jeden Fall kommen die Natur und die normal veranlagten Menschen, die sich vielleicht an täglichen Pflichten aufrechterhalten, ganz gut ohne die Extrovertierten aus. An wen soll man sich da halten, an die Natur, die Normalos, die nicht weiter nachdenken, oder an die im Rampenlicht stehenden Schriftsteller, die sich im Westen schon immer mal mit kommerziellem Erfolg umbringen?

Christian Rempel in Zeuthen, den 27.7.2019