Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Zeitgeist

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Wir sind reich und feiern, teils aus Erschöpfung, teils aus einer Endzeitahnung, mit der ich ausnahmsweise mal nicht einen bevorstehenden Weltuntergang meine, wie er oft aus einer ähnlichen Stimmung erahnt wurde, und doch bisher nicht eintrat, sodass man so nach und nach von dieser Lösung der Probleme Abstand nahm.

Wir haben nun auch wieder ein Schuljahr hinter uns, und in der Schule spiegeln sich diese Probleme. Lehrer wie Schüler sind einem, meines Erachtens unnötigen Stress ausgesetzt, sodass sie in den Ferien eher in eine Agonie fallen, als wirklich neue Kräfte zu sammeln. Dieser Stress kommt von einer unzureichenden Autonomie der Schulen, wo sich Zensurenvorgaben, Lehrer- und Schülerkonferenzen, die verordnet sind, Kampf um die Anerkennung als Schule mit guten Berufsaussichten oder MINT freundliche Schule u.v.m. jagen. Selbst die in reichhaltiger Auswahl einigermaßen klippschulmäßigen Lehrvideos, eine Flut von Arbeitsblättern, mit denen man die Schüler beschäftigen kann, schaffen da keine Linderung, sondern sind Teil des Problems.

Überwiegend stammen die Kinder aus Haushalten berufstätiger Eltern, die selbst so gestresst sind und mit Verve für die Zukunft ihrer Kinder sorgen wollen. Dabei gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass der höchst- und bestmögliche Abschluss mit geringstmöglichem Aufwand angestrebt wird, also das Abitur für nunmehr über die Hälfte aller Schüler. Man kann sich fragen, auf welche Weise dieses System, dass im Effekt zu solchen Bildungslücken führt, dass die Schüler der 10. Klasse nicht mal das Ohmsche Gesetz kennen, jemals zu Ruhe und zu einem wünschenswerten Effekt führen kann.

Die Schüler selbst sind dabei nur die Spitze des Eisbergs, der am Untergehen ist. Ihnen wurde mangels anderer, ebensowichtiger Inhalte diese Sache mit der Erderwärmung aufgebürdet, ein Thema, das es nicht verträgt, dass man sich kampagnenartig darauf fokussiert und nurmehr die unsinnigsten und inkompatibelsten Einfälle sich aus den Gehirnen saugt, wenn man überhaupt aus seiner Resignation herauskommt. Die jungen Leute versuchen das durch übermäßiges Zocken und ruinöse Feierrituale zu kompensieren.

Wenn man die Resignation, die den Aborigines gleich, aber auch immer spektakulärer, in der Selbsttitulation als letzte Generation gipfelt, hernimmt, könnte man fast einen Heldenepos daraus dichten, aber das Ganze hat auch selbstsüchtige Aspekte: das noch mitzunehmen, was diese Welt an Annehmlichkeiten noch zu bieten hat.

Nun denken Sie aber nicht, es gäbe da keine Ausnahmen, die aber eher in die Richtung tendieren, wie wenige das Abitur eigentlich heute verdient bestehen. Das sind dann schon die Jugendforscher – eine Handvoll unter ihren 750 Mitschülern.

An diesen bauen wir uns auf und wollen und wollen die Hoffnung nicht aufgeben.

Christian Rempel in Zeuthen, den 9.7.2023