Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Sehr geehrter Prof. Ingold

Sehr geehrter Prof. Ingold,

letztens bin ich mal wieder auf eine Zeitungsnotiz von 2007 gestoßen, wo sich Physiker, Geistliche und Philosophen zu einer Whitehead (englischer Mathematiker und Philosoph) Arbeitsgruppe formiert hatten, von deren Ausgang mir aber nichts bekannt wurde und außer Prof. Klose auch keiner der erwähnten Teilnehmer auf Nachfragen reagierte. Ich denke, dass die Whiteheadsche Prozessphilosophie mit seinen Entitäten eigentlich auf Herbart hätte zurückgehen sollen (dazu findet sich ein kleiner Aufsatz auf meiner Homepage „Johann Friedrich Herbart“).

Mich Ihnen zu nahen, wagte ich erst nach dem Lesen Ihres wunderbaren Buches „Quantentheorie“, das schon mal das Wort Mechanik vermeidet und in dem mir zum Schluss dann das abrupte Ende (Ausgabe 2015) aufgefallen ist, als seien Sie über die eigenen Darlegungen dann in tiefes Nachdenken versunken, das natürlich keinen etwas angeht.

Mich hat besonders beeindruckt, dass Ihr Buch zum Nach- und Mitdenken einlädt, denn es ist einerseits sehr anschaulich auch durch die biographischen Einsprengsel (denn die Entwicklung der modernen Physik ist auch eine Geschichte von ausgezeichneten Persönlichkeiten), aber man kann sich auch erproben, was man selbst so drauf hat, wenn man zum Beispiel die Formel für die Balmerserie* erraten soll. Hatte Johann Jakob Balmer doch größeres Glück mit seinem Zahlenspiel als Kepler mit den Bahnradien und den platonischen Körpern**, was Ihnen bestimmt bekannt sein wird.

Solche Einladungen gehen auch von Anton Zeilingers Büchern aus, dem ich daher den Nobelpreis allein hätte zugedacht wissen wollen. Ihr und seine Bücher (z. B. Einsteins Schleier) sind nicht darauf abgestellt zu zeigen: Guckt mal, wie schlau ich bin, sondern: Auch Du kannst Deinen Beitrag zur Natur leisten und sie verstehen lernen. Wo es heute chic ist, nichts von Naturwissenschaften zu verstehen und das nicht als Bildungslücke oder gar als Maßstab für Denkvermögen auffasst, genau wie eben manche Physiker eben Geisteswissenschaftliches oder gar Kulturelles von sich fernhalten.

Ich will mich nicht unterstehen, wenn ich Ihnen eventuell schon diese vielen Zeilen zumute, Ihnen noch weiteres Philosophisches nahezulegen, aber gerade Bayern war ja in der Geschichte des öfteren der Hafen für im Konkreten Gestrandete, die dann meinten sich auf Spekulationen konzentrieren zu können, wenn ich an Johann Wilhelm Ritter oder Schelling denke, und auch die Whitehead Konferenz findet ja wohl Ende Juli in München statt.

So versuche ich einigermaßen vergeblich einen brillanten Gedanken Dante Alighieris zu verbreiten, den ich in seiner „Monarchia“ vor einigen Monaten fand und deren Grundzüge ich mal in einem Exzerpt herausgearbeitet hatte (ebenfalls auf www.gedichtladen.de). Ich will Sie nun auch nicht weiter von der Arbeit abhalten, junge Leute für die Physik zu begeistern, die vielleicht an einer ähnlichen Schwelle steht, die damals der Anlass war, Max Planck vom Physikstudium abzuraten, da sie doch stagniert.

Mit Frühlingsgrüßen aus Zeuthen bei Berlin
Christian Rempel

* Als Balmerserie bezeichnet man die atomaren Übergänge des Wasserstoffatoms aus dem ersten angeregten zu höher angeregten Zuständen

** Johannes Kepler hatte vermutet, dass sich die Bahnradien der bekannten Planeten in Verhältnissen darstellen, die den Radienverhältnissen entsprechen, die platonische Körper aufweisen, wenn man deren Eckpunkte durch eine Kugeloberfläche verbindet