Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Dann packen wir’s,

Dann packen wir’s,
sagte Murkel als die Entscheidung zur Reise gefallen war. Freilich war schon ein Jahr seit der kurzen Begegnung vergangen, aber die Prinzessin reizte auch, das Nachbarland mal zu sehen, dem sie so einen Absatz ihrer einzigartigen bemalten Steine verdankte. So klein dieses 152 Quadratwerst Reich auch war, so hatte es doch alles, was man sich vorstellen konnte: Im Norden das Meer, eine Ost- und eine Westgrenze und im Süden eben die Berge, die sie aus eigener Anschauung kannten.
Jeder packte ein, was er für richtig hielt, Max mehrere Schraubenschlüssel und einen Kreuz- und einen Minusschraubenzieher und Murkel ein Buch, um sich auch zerstreuen zu können. An Nahrungsmitteln nahmen sie Ziegenkäse mit, Tomatenmark und Nudeln, wovon man sich ja allenorts würde ernähren können und vor allem der Frau Mutter gut mundete. Die Prinzessin wollte ihren Picknickkoffer mitnehmen und sah ihn durch. Die Plastikbecher erschienen ihr zu unpersönlich und sie wollte dafür lieber Teegläser mitnehmen. Max hatte ein Segelboot als Motiv, obwohl es auch ein Lamborgini hätte sein können, auf den man aber wegen der hässlichen Abgase verzichtet hatte. Murkel hatte einen Delphin drauf, denn er war ja auch eine Wasserratte. Die Prinzessin hatte ein Motiv, das im fernen China als Symbol der Herrschaft gilt und hatte all diese Tassen auch selber gestaltet. Als sie den Koffer gerade wieder schließen wollte, sagte der sorgfältige Max, dass da noch ein Teeglas fehle. „Für den armen, alten König etwa?“, fragte ihn die Prinzessin Neunmalklug. „Nein, den kennen wir doch gar nicht, ich meine das hier“, und er hielt ihr ein Teeglas hin, das ganz hinten gestanden hatte und seit sechs Jahren schon nicht mehr benutzt worden war. „Oh ja, natürlich. Ich bin auch so etwas von vergesslich in letzter Zeit. Es könnte ja sein, dass es gebraucht wird.“ „Was bedeuten diese Kugeln und der eine mit dem Ring drumrum?“, fragte Murkel, der dieses Glas vielleicht zum ersten Mal in seinem bewussten Leben sah. „Das sind Wandelsterne, Murkel“, erwiderte die Prinzessin, „alle anderen Sterne haben nur den Tages- und den Jahreslauf und behalten ihre Positionen, aber die Wandelsterne sind immer mal woanders zu sehen.“ „So wie die Sonne, die täglich über den Himmel zieht?“ „Nein, die Sonne ist ein richtiger Stern und wenn es noch andere Wesen in unserer Milchstraße gibt, so können sie nur sie wahrnehmen und sie wäre für sie einer von hundert Milliarden Sternen, wie wir sie von uns aus sehen. Unsere Erde könnten sie schwerlich entdecken. Und dafür hat sich Christian sehr interessiert, als er in euerm Alter war.“ „Und jetzt ist er ein Seefahrer“, bemerkte Murkel. „Ein Seefahrer kann mit den Sternen und einer Uhr bestimmen, wo er sich auf dem weiten Meer befindet“, mischte sich Max nun ein, aber alle drei wussten nicht weiter und genau zu sagen, wie man das wohl macht. „Dann wird er sich sicher auch wieder nach Hause finden“, sagte Murkel und strich seiner Mama eine Strähne aus dem Gesicht.
„Wo hat denn der arme, alte König überhaupt sein Schloss?“, fragte Max noch mal sicherheitshalber. „Man sagt, es ist auf einer Insel, Karsibor im Wolziger See.“ Da platze Murkel heraus: „Karsibor, das hört sich an wie ein Zauberspruch, wie Excalibur oder wie der Drache Kalifur. Vielleicht ist es sogar verwunschen und wir müssen erst einen Zauber brechen.“ Die Prinzessin Neunmalklug wurde nachdenklich. Nach dem, was ihr der arme, alte König in ihrem kurzen Gespräch erzählt hatte, konnte das gut möglich sein. Hatte er doch zwar eine gute Idee gehabt, dem Land einen Verkehr nur in Kunstwerken zu bescheren, aber was sein persönliches Glück anbetraf, so hielt sich das doch sehr in Grenzen. Und plötzlich fiel ihr auch wieder das Gespräch mit dem Wandelstern Venus ein, das schon geraume Zeit zurücklag und sie ja schon wieder völlig vergessen hatte und sie packte auch noch den Stein mit den Tüpfelchen ein, auch wenn die Kinder maulten, dass sie noch mehr zu schleppen hätten, denn die Prinzessin selbst nahm nur ein winziges Täschchen mit. Alles andere trugen die beiden Söhne über die sieben Berge hinüber in das prätentiöse Land, das ihnen bisher nur gute Handelsgeschäfte beschert hatte, aber in dem sie nun ihr Glück zu finden hofften.

(s. Seelenwege und Was die Prinzessin bewegte …)

C.R. auf Karsibor 10.8.2022