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Kolumne Nummer 32/2019 „Zwischen Newton und Darwin“

Zwischen Newton und Darwin

Zu den ganz großen Briten gehört nun Stephen Hawking, dem ich immer etwas skeptisch, trotz seiner bemitleidenswerten Behinderung, gegenüberstand. Nun hat er seine Grabstätte zwischen Newton und Darwin und darf sich ihnen als ebenbürtig ansehen.

Skeptisch war ich daher, weil er eher ein Verkünder von erstaunlichen Fakten war, als dass er einen zum Mitdenken für befähigt gehalten hätte und einen in diesen Stand versetzt hätte. Er erklärt die Physik nicht wie ein Anton Zeilinger, bei dem deutlich wird, dass doch die Konzepte immer ganz einfach sind, sozusagen Logikaufgaben, an denen sich jeder versuchen kann, der Lust dazu hat.

Dabei könnte die populärwissenschaftliche Literatur gerade diese Aufgabe erfüllen, nämlich die Konzepte in all ihrer Einfachheit und Einfalt zu publizieren. Der Fachliteratur kann man das immer nur schwerlich entnehmen und es ist meistens nur im persönlichen Kontakt möglich, diese in Erfahrung zu bringen. Da kochen dann alle nur mit Wasser und sind mehr oder weniger unbedarft.

Dagegen spricht die heutige Wissenschaftskultur, bei der jede Aussage belastbar und fertig sein soll, die zur Veröffentlichung kommt. Da wird auf den Laien dann keine Rücksicht genommen und die Ideen, die dahinterstehen, kann nur eine kleine Community verstehen. Dass Konzepte und die einfachen zugrundeliegenden Ideen nicht ausgetauscht werden, hat auch immer etwas mit Ehrgeiz zu tun, dass man andere nicht gerade auf die Spur locken möchte, wo man selbst gedenkt die Ernte einzubringen.

Was dann als Message des letzten Buches von Hawking «Kurze Antworten auf große Fragen» bleibt, ist einigermaßen ernüchternd, denn der kosmologische Blick auf das Universum ergab, dass wir doch eher unsere Erde verlassen sollten und uns nach anderen habilen Planeten umsehen. Man kann etwas mitträumen von der TOE (Theory of Everything) und der Grand Unification von Quantenmechanik und Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Dabei steht uns viel eher eine andere Grand Unification bevor, die er nicht so im Blick hatte, nämlich die Verbindung zwischen Biologie und Elektronik bzw. Informationstechnologie. Die Biologie als molekularer Mechanismus und die Elektronik sich immer weiter dieser Größenskala nähernd, könnten völlig neue Wesen hervorbringen, bei denen man nicht mal vom Menschen als biologisches Wesen ausgehen müsste, sondern vielleicht von Einzellern, wie sie vor vier Milliarden Jahren entstanden waren. Die künstliche Intelligenz nutzt heute eine recht überschaubare Anzahl von Neuronen, die zu Netzen vereinigt sind, und im Grunde sind auch die Computer, wie sie mal vor 50 Jahren auf Halbleiterbasis entstanden sind, noch recht überschaubar. Man müsste nicht nur ins Auge fassen, gleich eine höhere Lebensform und Intelligenz zu schaffen, als es die menschliche ist, sondern sollte im ganz Kleinen beginnen. Dabei müsste man die Reproduktionsfähigkeit im Auge behalten und könnte dann eine rasante Evolution in Gang setzen, die der Mensch mit seinen Fähigkeiten beeinflussen könnte, aber so sich nicht in erster Linie gleich bedroht fühlte, sondern etwas Neues schafft, das dann seine eigene Existenzberechtigung hätte. Es wurden schon viele Arten auf der Erde durch menschliche Einwirkung vernichtet. Warum sollte er da nicht versuchen, gänzlich neue zu schaffen?

Wenn wir schon auf der Suche nach Außerirdischen bisher erfolglos waren, so könnten wir neue Wesen sich bei uns entwickeln sehen, der Mensch wäre in seiner Traumrolle als Schöpfer und nicht nur Bedenkenträger und Verhinderer.

Das stelle ich mir als die aussichtsreichste Perspektive der Forschung vor: Die Hybridisierung zwischen Biologie und Nanowissenschaft.

Christian Rempel in Zeuthen, den 16.10.2019