Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW 21 2018 „Infantilisierung“

Infantilisierung 

Das Feuilleton gefällt sich ja immer mal in Wortschöpfungen, als wäre etwas an Erkenntnis getan, wenn man mal ein Wort kreiert oder aus der Versenkung ins Gegenwärtige zieht. So sprach das ND jetzt von der Infantilisierung der Gesellschaft, was so viel heißt, wie Verkindlichung. Dabei kann man Kindern kaum negative Eigenschaften nachsagen. Dass sie eben noch weniger wissen, gleichen sie oft durch Findigkeit und Neugier aus. Gemeinhin könnte man auch von Verdummung der Gesellschaft sprechen, der vielleicht ein genauerer, wenn auch schlagenderer Begriff ist.

Sprach nicht auch Jesus, ihr sollt wie die Kinder werden? Man kann sich jedenfalls von den Kindern einiges abgucken, auch dass sie oft mit viel weniger Wissen dennoch ein sicheres Urteil haben, gerade in moralischen Bezügen. Da wird dann viel weniger nachgesehen, als das unter Erwachsenen üblich ist, aber es gibt auch eine größere Begeisterung für Menschen, die einem Wärme entgegenbringen, manchmal werden sogar die Konsequenten bevorzugt.

Dieser Prozess der Verkindlichung scheint also gar nicht im Gange, sonst hätten wir ob solcher Entdeckung vielleicht sogar Grund zur Freude. Auch mit der Verdummung, die es ja eigentlich eher ist, wenn auch nicht durchgängig, darf man es sich nicht so einfach machen, denn die Dummheit, die wir allzugern gerade bei jungen Leuten beklagen, liegt auf manchen Gebieten eben auch bei den Gebildeten. Es wird dem Rechnung getragen, dass man sich heutzutage fehlende Fakten recht schnell herbeischaffen kann, wenn man sich wirklich mal für eine Sache interessiert und außerdem gibt es viele neue Gebiete, auf denen man Wissen haben muss, damit man gut damit umgehen kann, wenn man nur an die Computerfertigkeiten denkt.

Dennoch setzen sich Jugendliche über Gebühr dem Spieltrieb aus und es werden da auch Eigenschaften gezüchtet, die sie dem alltäglichen Leben entfremden. Ob da die richtige Antwort ist, eine Industrie 4.0 auszurufen bzw. anzustreben, ist sehr fraglich, denn allzuviele Dinge, die ein Zupacken erfordern würden, bleiben dann einfach liegen und es ist um unsere deutschen Grundwerte wie Ordnung, Disziplin und Pünktlichkeit getan. Diese Grundwerte wurden vorzugsweise in der Industrialisierung geprägt und waren dort gefordert, gehen aber auch auf noch viel ältere deutsche Traditionen zurück.

Vielleicht ist es an der Zeit sich neue Grundwerte zu suchen, aber welche nur?

Christian Rempel in Zeuthen, den 26.5.2018