Der Gedichtladen

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Kolumne KW38 „Soldatsein“

Soldatsein

 

Gestern bei einem Fest begegnete mir ein junger Mann, der wohl gerade erst volljährig geworden ist. Er war sehr still und in sich zurückgezogen. Man sagt, er verbringe seine Zeit selten auf solchen Festen, sondern eher vor dem Computer, wo er sein Kindsein, das ja nach meinen Erfahrungen bis in das Rentenalter hineinreicht, auslebt.


Es ist ja nicht neu, dass sich junge Leute für das Soldatsein entscheiden. Meistens sind es ja wirtschaftliche Motive, weshalb wir ja nun auch die vielen Flüchtlinge haben. Da gibt es also die Flucht junger Leute unter einen Rettungsschirm, der da heißt: Bundeswehr. Wir leben ja nicht in einem Staat, der sich mit Welteroberungsplänen trägt, wie das vor achtzig Jahren noch der Fall war. Eigentlich sind die Deutschen gar nicht mehr aggressiv und diese Haltung geradezu verschrien.

Außer Bier gab es auf diesem Fest, das eine Jugendweihe war, bei der man auch schon meinte, einen die Kindheit beenden zu lassen, keine alkoholischen Getränke. Dieser junge Mann hatte sich allerdings selbst seine bevorzugte Biersorte, nämlich Porter, mitgebracht und trank an diesem Nachmittag sechs Flaschen davon. Ich dachte immer, Porter sei ein Starkbier, aber er klärte mich auf, dass es nur 2,5% hat und man durchaus an einem Nachmittag mal sechs Flaschen davon trinken könne.

Natürlich vermutete ich auch bei ihm wirtschaftliche Motive für seinen Wunsch, in die Reihen der Bundeswehr aufgenommen zu werden, aber er sagte, dass er gerade eine kleine Erbschaft gemacht hätte und so gerade keine Geldsorgen hätte. Er hatte von seiner Großmutter geerbt, die Schafe gehalten hat und alles erledigte, was da dran hängt: scheren, Wolle waschen, kardieren, spinnen und stricken. Dann natürlich auch verkaufen und Groschen für Groschen beiseite legen, bis dann eine erkleckliche Eurosumme zusammen­kommt, die man seinem einzigen Enkel vererben kann.

Sein Wunsch, zur Armee zu gehen, sei schon vorher dagewesen und als er die Erbschaft machte sei ein kleiner Ruck durch ihn gegangen und er habe sich noch ein bisschen erwachsener gefühlt, aber von seinem Wunsch, zur Truppe zu gehen, habe es ihn nicht abgebracht.

Was er sich denn dort vorstelle und verspreche, wenn er unter lauter Haudegen ist, die nicht mal die Schule richtig zuende bringen konnten (er machte einen ziemlich intelligenten Eindruck). Da sagte er zu meinem Erstaunen, dass es ihm einfach nicht liege, etwas zu schaffen, dass er einer gewöhnlichen Arbeit einfach nicht nachgehen könne und es sowieso bald Krieg geben würde bei uns.

Es könnte sich also um eine psychische Disposition handeln, die von einer gewonnenen Überzeugung genährt wird, die kaum einer nachvollziehen kann, oder gibt es jemanden, der das versteht?

Christian Rempel im Waltersdorfe, den 20.9.2015