Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Geschwisterbrief

Liebe Geschwister,

Uli brachte mir zum Ausdruck, dass sie genug LIebe hätte und meine nicht auch noch brauche. Mir dagegen ist sehr an eurer Liebe gelegen, die zu erschüttern ich schon einige Gelegenheit nahm, wie eben ein 13Jähriger, der die Langmut der Eltern so lange herausfordert, bis sie endlich zum Ausklopper greifen und für ihn den Beweis liefert, dass es mit der Liebe doch nicht so weit her ist.

Ihr habt mir ja ein Haus hinterlassen mit vielen Schlüsseln und ich musste einiges tun, um die Anzahl etwas zu reduzieren. Aber wie sinnreich fand ich alles von euch eingerichtet, fand noch Töpfe vor und Salz, tiefe Teller für ein Süppchen, fast alle meine Utensilien geordnet (bis auf das Teleskop) und einiges an Garderobe und eine reiche Hausapotheke, also fast alles, was man zum Leben braucht. Nur die Zuckerdose, die täglich auf Vadders Tablett stand, aufdass er sich davon bediene, die hätte ich nun gern als Andenken behalten und gehört auch irgendwie eben zu dem Haus dazu, in das ich mein ganzes Lebenswerk investierte und nun mit einige Schulden dastehe.

Am Wochenende wollte ich noch eine andere Schuld begleichen und Irina endlich ins Haus holen. Das erste Mal, zu Silvester hatte ich es bis an eine Kathedrale geschafft und konnte mein Versagen nur in einem Gebet zu dem Zeitpunkt des avisierten Treffens noch vor dem letzten 12-Uhr-Schlag kundtun. Auch der zweite Versuch, jetzt nach 14 weiteren Tagen, scheiterte an meinem Unvermögen.

Rentner haben ja niemals Zeit und 13Jährige, wie ich mir diese Beleidigung nun schon von verschiedenen Seiten habe zuziehen müssen, eigentlich auch nicht. Die Jugendlichen, die ich so kenne, wissen sehr wohl mit ihrer kostbaren Lebenszeit umzugehen und schirmen sich erfolgreich vor überflüssigen Informationen ab. Ich hege große Hoffnungen um unsere derzeitige Jugend.

Letzthin haben Sie unser SFZ in LHI umbenannt (Labor der Heiligen Ingenieure). Noch glaubt nur eine von Ihnen (Elias), aber ich bin guter Hoffnung, dass auch die anderen noch eines besseren belehrt werden. Man sagt ja gemeinhin: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Was die Zuckerdose anbelangt, so erinnert ihr euch vielleicht noch daran, dass unsere Eltern allein zu Abend zu essen pflegten und wir eines Tages die Idee hatten, diese Dose mit Salz zu füllen und nur oben drauf eine dünne Schicht Zucker beließen. Das kam damals bei dem Ehepaar, das unsere Eltern waren, gar nicht gut an, und wieviel Salz hatten wir da auch für einen Scherz verschwendet. Vielleicht war das ja der Ausgangspunkt für die späteren Unglücke, die uns heimsuchten, denn: Salz verschüttet … .

Vielleicht erinnert ihr euch noch an das Erinnerungsspiel, das ich mal inszenierte, anlässlich des dritten Geschwistertreffens von hinten. Beim letzten dann hatten wir ja eine Pizza zu machen, nach allen Regeln der Kunst und jeder hatte etwas zu tun. Etwas ähnliches wollte ich mit den Rempeltöchtern am Freitag veranstalten und meiner Verlobten, aber es ist wegen Kälte nichts draus geworden. Also ist noch viel zu tun, den Rempelschen Geist wiederzuerwecken.

Herzlich Christian Eberhard