Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Trauung

Trauung

Man sollte das Reflektieren denen überlassen, die das gern tun, und um wieviel mehr trifft das auf das Lesen von Reflexionen zu. Ist das doch auch ein Zustand, in dem man sich nicht auf immer befinden kann und sollte, denn wenn etwas heute zu kurz kommt, so ist es eher die Tat.

Um Sie etwas ins Bild zu setzen, worum es bei der Trauung ging, so sind das zwei junge Menschen, die durch Taten verbunden sind. Der Bräutigam drückte das so aus, dass er mit keinem Menschen je so gut arbeiten konnte, wie mit seiner Braut. Tatsächlich haben die beiden es in kurzer Zeit geschafft, ein erfolgreiches Projekt aufzubauen, das auch einträglich ist, in einem Alter, wo man schon einige Erfahrungen hat, aber auch noch in vollem Besitz der notwendigen Tatkraft ist.

Für beide wurde aus einem Neben- ein Fulltimejob und sie haben eine Menge Beziehungen geknüpft, die sich in der Zahl der Gäste auf der Hochzeitsfeier ausdrückte. Für gewöhnlich hatte ein Anwärter auf die Hand meiner Tochter zunächst eine Physikprüfung über sich ergehen zu lassen, aber wie so viele Prinzipien, die man mit der Zeit fallen lässt, fiel diese in diesem Fall aus.

Das Feld der Zerstreuung, auf dem sich beide bewegen, ist auch so verschieden von der Physik, wo man doch Fragen an die Natur und Technik stellt und zumeist abschlägige Antworten erhält, die einen demütig machen können, dass man nicht davon ausgehen kann, dass nun gerade das jedermanns Pläsier sein sollte.

Die Frage, wo denn das viele Geld für die Zerstreuungen herkommt, kann man gar nicht mehr schlüssig beantworten. Dass man sich um unsere Technologien reißen würde, die Zeiten scheinen auch vorbei. Dass man Anlass hätte, unsere Kultur zu bewundern, die sich ja zeigen könnte in etwas weniger absurden Äußerungen als sie die moderne Kunst zumeist bietet, wird man auch nicht mit Fug feststellen können.

Also leben wir vielleicht von der Substanz früherer Jahre?

Geht man aus einer solchen Zerstreuung nach Hause und folgt in aller Frühe gestärkt dem Signal der Werksirene? Geht man vom Roulette Tisch nach Haus, schläft sich aus und schreibt am nächsten Tag ein unvergängliches Gedicht oder hat einen technischen Einfall, den kein anderer auf der feiernden Welt hatte? Macht man sich mit seiner Kalaschnikow oder einer Friedenstaube, je nach Gemütslage, auf den Weg in die Ukraine, um dort Ordnung zu schaffen?

Ja man soll nicht von sich auf andere schließen, aber irgendwie braucht man wenigstens 24 Stunden, um sich vom Eventsprech zu erholen, und ob es gehabter Zerstreuung zuzuschreiben ist oder nicht, ob man es wenigstens der Tatsache zu verdanken hatte, irgendeiner Art von Tatkraft teilhaftig geworden zu sein – etwas geschieht oder geschieht einem.

Irgendwie habe ich das Gefühl, es sollte einen direkteren, einfacheren und bodenständigeren Weg dahin geben, aber man sollte keinesfalls von sich auf andere schließen.

C. R. 27.8.2023