Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kein Jahrestag, kein Anlass …

Kein Jahrestag, kein Anlass …

… ist, sich der Tage Anfang November 1989 zu erinnern, was nun fast 34 Jahre her ist. Kein Tagebuch stützt meine Erinnerungen und auch nicht der Wahrheitskaffee der STASI. Nicht nur unsere Altvorderen waren in den Dialog eingetreten, sondern wir in unserem Produktionsbetrieb ZWG, einem Fremdkörper in der ansonsten einigermaßen beschaulichen Akademie. Wir hatten unsere Ausreisekandidaten, die wir zur Arbeit anhalten sollten, die sie aufgegeben hatten, wohl in der Annahme, dass das der einfachste Weg in den Westen sei, die wir am besten von zu Hause hätten abholen sollen und die vor lauter Systemschmerz nicht das Geringste zustande brachten. Wir hatten unsere Umweltschützer, die um zwei bereits abgestorbene Bäume am Wege bangten und die dann nach der Wende sang- und klanglos abgeholzt wurden, als dann die Zäune um das Akademiegelände abgebaut wurden, was zu Ostzeiten unvorstellbar gewesen wäre. Und wir haben Sebastian Pflugbeil zu uns in die Parteiversammlung eingeladen, wohl auf mein Betreiben, und er hat denn auch die recht vernünftigen Vorstellungen des Neuen Forums bei uns vertreten, was mit großem Interesse unsererseits aufgenommen wurde. Ich galt damals auch etwas als Reformer und war ja auch der ewige Nachwuchskader, eine Rolle, aus der ich nie wieder herausgefunden habe in meinem Leben.

Die Parteiversammlungen fanden nicht mehr in der gewohnten Regelmäßigkeit statt, sondern häuften sich, so wie auch immer gravierendere Probleme anstanden und wir das Gefühl nicht loswurden höherenorts nicht gehört zu werden. Auf einer dieser Versammlungen, es war in der Woche vor dem denkwürdigen 4. November, wählten wir unsere Parteileitung ab und ich wurde Sekretär der Grundorganisation von etwa 200 Genossen.

Was den 4. November anbelangt, diese große Demonstration auf dem Alexanderplatz, fehlte jegliche Direktive, wie wir uns dazu verhalten sollten. Ich fuhr mit Kathrin, meiner damaligen Lebensgefährtin, und dem Kinderwagen mit unserer nicht ganz vier Wochen alten Tochter, Friederike, dorthin und es war einerseits interessant, was man sich alles an Plakaten hatte einfallen lassen (STASI in die Produktion) und die Künstler redeten auch von der Seele weg, aber ich werde die Atmosphäre der Angst und des sich gegenseitigen Taxierens nicht vergessen. Alle standen auf Abstand und versuchten herauszubekommen, ob sich der Nebenstehende nicht als Zivilbeamter entpuppt, der einen im nächsten Moment hopp nehmen könnte.

Der einzige „Politiker“, der da auftrat war Günter Schabowski und kam nicht besonders gut an. Auch der von mir geschätzte Markus Wolf, ehemaliger Abwehrchef und dann Schriftsteller, nicht. Da hatte ich mir gewünscht, den einen oder anderen Genossen zu treffen, denn die Reden waren durchaus hörenswert und in aufgekratzter Stimmung und nicht weiter behelligt kamen wir wieder zu Hause an, wo eine Truppe junger Männer uns gerade aus alten Zaunpfählen eine Heizung zusammenschweißte, die ich allerdings erst in der Woche dann wiedersah. Ich forstete die NDs durch, die ja nicht viel vom wirklichen Geschehen berichteten, aber wir waren es ja gewohnt „zwischen den Zeilen“ zu lesen. Es ließ mir keine Ruhe, dass man die Hauptkraft, die nun mal nicht die STASI war, sondern die Partei, so hatte im Ungewissen lassen können.

Wir waren damals mit einem Paar befreundet, wo sie Gesellschaftswissenschaftlerin war und er kleiner Kulturfunktionär. Ein ausgesprochen unkonventionelles Paar, das ich hier nicht benennen möchte, mit denen sich sehr gut diskutieren ließ und die in Marzahn wohnten. Auf Grund meiner Erfahrungen hielt ich es für besser, einen Spaziergang zu machen und setzte IHM meine Vorstellung auseinander, dass man nun endlich diese Hauptkraft, und die meisten darin waren ja auch besten Willens, auf die Straße bringen müsse, und zwar vor das Zentrum der Macht, das ZK. Seltsamerweise wusste ich da auch schon den genauen Termin, es sollte der 8. November sein. Da wusste ich noch nicht, dass er mich im Stich lassen würde, was nun allerdings alle möglichen Gründe gehabt haben konnte. Es arbeitete in mir fast ununterbrochen und bereits am nächsten Morgen sollten wir wieder in die Stadt fahren (es war Sonntag), da da eine Aktivtagung der Partei der Akademie angesetzt war in der Nuschkestraße, der Zentrale der Akademie. Diese besuchte ich mit IHM und wir standen, wie zu spät Gekommene in einer der Türen und konnten nur den Eindruck gewinnen, dass das alles am Leben vorbeigeht. Wir sind auch gar nicht bis zum Ende geblieben, sondern haben einen Abstecher in die Bezirksleitung gemacht, die sich im Hause des ZK befand. Da wurden wir nach einigem Hin und Her auch eingelassen und kamen bis ins Vorzimmer von Günter Schabowski. Unseren Wunsch, ihn sprechen zu können, ließen sie erst einmal offen. Wir kamen ins Gespräch mit seiner Sekretärin und sie sagte, dass er gestern außer sich gewesen sei und geweint hätte. Seine Rede war ja nicht sonderlich angekommen am 4. November. Dann wurden wir doch vorgelassen und sagten, dass wir vorhätten, die Basis der Partei vor das ZK zu bringen. „Was wollt ihr denn da?“ „Wir wollen sagen, wie die Dinge wirklich liegen“, wir zückten unsere roten Büchlein, hielten sie ihm entgegen und sagten: „Wir sind die Partei!“ Er: „Nur kein Pathos.“ Er hatte also nichts eingewandt und das sollten wir uns dann weidlich zunutze machen.

Am Sonntagabend trafen sich die Mathematiker bei der Schriftstellerin Helga Königsdorf, die ich an diesem Abend zum ersten Mal sah und die selbst Mathematikerin war und einige schöne Bücher publiziert hatte. Das waren lauter junge Mathematiker, die sich um sie geschart hatten, weil sie eine besondere Ausstrahlung hatte, obgleich oder gerade, weil sie schwerkrank war, und wir mussten ja eine Rednerin finden, sonst hätten wir vielleicht gar nicht gewusst, was wir da vor dem ZK hätten anstellen sollen. Sie erklärte sich auch bereit und gab zu bedenken, dass bei so einer heiklen Sache die STASI bestimmt eine Rolle spielen würde, deren Gepflogenheiten nun nach unserem Ermessen Markus Wolf noch am besten kennen müsste.

Wir hatten ja nun das Parteibüro unserer Einrichtung inne und außerdem war am Montagmorgen die Aktivtagung auszuwerten. Ich sagte den Genossen, dass wir eine Demonstration vor dem ZK planen und das Genosse Schabowski dagegen nichts einzuwenden gehabt hatte. Letzteres war notwendig und einer der ersten glücklichen Umstände, denn die Parteidisziplin war doch geschriebenes Gesetz. Dann begaben wir uns ins frisch eroberte Parteibüro unserer Einrichtung und riefen alle, die wir erreichen konnten zu dieser Demonstration auf. Kopierer waren ja gesperrt und es war nur mit Genehmigung etwas kopieren zu lassen und wir produzierten solche Schnipsel, die zur Demonstration am 8. November aufrufen sollten. Wir baten weitere Genossen zu uns und starteten die Aktion „Partei an die Werktore“. Die Gruppen sollten zu den Betrieben am Dienstagmorgen gehen, wenn die Großbetriebe ihre Schichten begannen, fragen ob einer Genosse sei und bei Bejahung ihm einen solchen Schnipsel aushändigen. Wie uns am nächsten Tag dann berichtet wurde, hatten da viele sich schon nicht mehr zu erkennen geben wollen und verleugneten ihre Mitgliedschaft.

Natürlich lief unser Telefon auch heiß von der Kreisleitung unter der Leitung von Horst Klemm, aber wir reagierten nicht darauf und sagten, wir hätten keine Zeit für einen Rapport und im Übrigen hätten wir ja, wenn nicht das Einverständnis, so doch die Duldung durch die Bezirksleitung. Zu diesem Zeitpunkt konnte natürlich keiner wissen, was daraus wird. Am Abend müssen wir uns noch mal bei Helga Königsdorf gesehen haben, denn Markus Wolf berichtet in seinem Buch „Im eigenen Auftrag“, wie sie mir den Hörer gab, um die Konsequenzen unserer Handlungsweise in Erfahrung zu bringen. Ich fragte wohl, ob man so etwas anmelden müsse bei der Polizei und er sagte, das überließe er vollkommen unserem Ermessen. Also ließen wir es, denn wer sollte schon den Genossen verbieten können, ihr eigenes ZK mal aufzusuchen. Wir hatten auch geschrieben, dass die Parteidokumente mitzubringen seien und schon am nächsten Tag kursierten Gerüchte von einem kollektiven Niederlegen selbiger. Es sollte aber klar sein, dass es die Genossen der Parteibasis waren (Wir sind die Partei), die Rechenschaft forderten. Es bot sich auch an, da das ZK die ganze Woche ja in Permanenz tagte und Krenz am Montag das halbschärige Reisegesetz verkündet hatte.

Am Dienstag werteten wir erst den mäßigen und bedenklichen „Erfolg“ der Aktion:“Partei an die Werktore“ aus und dann ließ es sich nicht mehr vermeiden, dass ich in die Nuschkestraße musste, wo Horst Klemm einige Wissenschaftlergenossen versammelt hatte, die nun alle darauf brannten, zu Wort zu kommen, ich das aber sehr skeptisch sah und darauf verwies, dass ich zwar der Organisator sei, aber nicht alles beeinflussen könne. In Adlershof waren noch einige Sachen zu klären und von allen Seiten liefen dauernd Solidaritätsbekundungen ein. Feliks Dzierzynski war auch solidarisch und sagte uns Lautsprecherwagen zu, falls es uns nicht gelingen sollte, eine Verstärkeranlage aufzutreiben. Uns erreichte auch ein nicht genau auszumachender Anruf, dass sich vor dem ZK (heutiges Außenministerium) Rosenrabatten befänden (heute nicht mehr), für deren Beschädigung ich als Organisator mit einigen Tausend zu haften hätte. Am Morgen, ich habe bis dahin immer zu Hause übernachtet, kam mein Vater recht aufgeregt. Mein Direktor habe ihn angerufen und ich sei im Griesinger Krankenhaus eingeliefert worden. Ich: „Du siehst mich doch hier, dann stell doch mal eine Vermisstenanzeige.“ Eines dieser aufregenden Morgenstunden hatte sich auch eine Ärztin mit einer Spritze eingefunden, die mich „beruhigen“ sollte. Es war eine Bekannte und man kann da gute Absichten unterstellen, aber irgendwie kam es dann doch nicht dazu, dass ich eingeschläfert wurde.

Diese letzte Nacht vor dem Ereignis habe ich nicht zu Hause verbracht. Ein Fahrrad, das ich mir von diesen Freunden geborgt hatte, lehnte ich einfach an einen Zug und ging zu Fuß über die Auen am Morgen nach Hause. Es wurde dann sogar zurückgebracht, so waren diese Zeiten.

Nun war der 8. November heran und es war sogar eine Meldung über das Radio gekommen. Ich begab mich in das Institut meines Vaters in der Französischen Straße und bat im dortigen Parteibüro telefonieren zu dürfen. Als der Betreffende merkte, was der Inhalt des Telefonats war und was ich eventuell für ein Schädling bin, musste ich sehen, dass ich schnell wieder wegkam und verschwand. Wir hielten uns dann in einem Institut der Akademie auf, an die Heizung gekauert, dass wir durch die Fenster nicht zu sehen waren. Zum Großen Haus wurde ein Parlamentär geschickt, der das mit der Verstärkeranlage aushandeln sollte und dann auch erfolgreich zurückkehrte.

Eine Viertelstunde vor der verabredeten Zeit näherten wir uns dem ZK, das verwaist aussah, bis auf einen Trupp von Westreportern, die wir erst „wegkomplimentieren“ mussten und die ja das Folgende auch in der Versenkung haben verschwinden lassen. Dafür war überraschender Weise das DDR Fernsehen da und es sammelten sich auch immer mehr Genossen. In der Mitte stand auf der Terrasse vor dem Großen Haus das Mikrofon. Ich nahm es und stellte es unten hin, woraufhin der Techniker es abschaltete. Ich musste ihn erst ein bisschen durchschütteln, dass er es wieder in Betrieb setzte. Zu guter letzt stand es dann aber doch wieder oben – einige kleine Kompromisse gab es schon. Die Kameras standen auf Hebebühnen und es hätte mich stutzig machen müssen, als eine davon am Kabel in freien Fall versetzt wurde.

Helga Königsdorf hielt die Eröffnungsrede und wir befragten Genossen im Hintergrund, wozu sie gerne sprechen würden. Laufend gingen aus der Partei Meldungen von abgesetzten Parteifunktionären ein, denn man darf nicht vergessen, dass diese demokratische Grundlagen hatte, auf die man sich berufen konnte. Und so forderten wir, wie auch Markus Wolf am 4.11. als ausgepfiffener ehemaliger Abwehrchef, der dies aber als Nervenstarker verkraftet hatte, eine Parteikonferenz. Dieses für Krisensituationen vorgesehene Instrument wäre wahrscheinlich das Rechte gewesen, aber einen Monat später wurde daraus ein Sonderparteitag. Diese Reden, die fast durchgängig aus dem Herzen kamen, hat das DDR Fernsehen aufgezeichnet und life übertragen.

Dann passierte etwas Unvorhergesehenes. Die Türen flogen auf, wir wurden zur Seite gedrängt und das lachende Pferd trat mit seinem Gefolge heraus. Sofort wurde sein Vorname mehrmals skandiert von einigen, die sich ganz vorn postiert hatten. (Einen Tag später hat der Brigadier unserer Heizungsbrigade, die jeden Arbeitserfolg mit einem „Zupp“ bedachten, sich als Sekretär von Bärbel Bohley geoutet und uns erklärt, dass die Claqueure von der Hochschule für Staat und Recht waren, was sich nun gar nicht vermeiden ließ). Es klang fast, wie der Vorname eines dänischen Sympathieträgers der DDR Fernsehzuschauer, schien mir.

In dessen Gefolge hatte sich auch Horst Klemm befunden, der einem Leichnam glich und mir, um den es nicht viel besser stand, einen schlaffen Händedruck, vielleicht in Gemahnung an unser Einigkeitssymbol, gewährte. Als dieses hohe, selbstgewisse und immer lachende Pferd dann verschwunden war, war es dann auch vorüber mit der so schön spontanen Demonstration, auf der unter Genossen das Wunder freier und von Herzen kommender Rede geschehen war. Alles verlief sich, und was nun? Die engsten Genossen wurden noch mal nach Adlershof eingeladen, ins Studio des Zweiten und das sollte eine Art Lebensversicherung sein, dass wir dort noch mal berichten durften. Dann zu meinen Eltern, die fast alles im Fernsehen verfolgt hatten und wohl auch ein bisschen stolz waren auf ihre Söhne, aber was nun?

Ich jedenfalls hatte erst mal etwas Verfolgungswahn, aber auch noch einen Plan. Wenn das alles noch nichts bewirkt hatte, was war dann mit dem Volk? Ich fuhr mit meinem Trabbi irgendwo hin und fühlte mich am unberechenbarsten, wenn ich jetzt über ein paar Zäune stieg. Es war die Gegend von Karlshorst und ich besuchte dann aufs Gratewohl eine Frau in einem Einfamilienhaus, der ich auseinandersetzte, dass das Eisen nun weiter durch das Volk, also meinetwegen das Neue Forum zu schmieden sei und ob sie von denen jemanden kenne. Sie sagte mir eine Adresse auf einem Hinterhof. Es war jetzt Donnerstag, der Tag, an dem am Abend die Mauer fiel. Ich hatte den Fizz, nun mal eben die Bürger aufzurufen, gleich mal allesamt vor dem ZK zu erscheinen und dann Nägel mit Köpfen zu machen. Ich hatte sogar eine Aktentasche mit, die ich dann einfach in einem Schreibwarenladen zur Aufbewahrung abstellte. Die Wohnung war die von Ingrid Köppen, und war voller Bürgerbewegter. Ich habe ihr meinen Plan auseinandergesetzt und sie meinte, dass das bei dem Neuen Forum nicht so schnell ginge, sie seien eben eine demokratische Organisation mit Meinungsbildung und so. Da wollte ich es mit dem Rundfunk probieren und fragte sie, ob ihr Telefon sauber sei, was sie zwar bejahte, aber selbiges sofort seltsame Geräusche von sich gab, sodass ich es vorzog, auch diesen Ort wieder zu verlassen. Es war nun wieder Friedhofsruhe und ich habe alles versucht, um meinen Plan umzusetzen. Letztlich war nur ein mir sehr nahestehender Mensch dann wirklich vorm ZK, alle anderen waren wohl mit Fernsehen beschäftigt oder haben getagt, wie eben das ZK.

Als ich dann von der Grenzöffnungsnachricht hörte, ging ich auch selbst noch einmal zum ZK, trat ein und zog meinen beachtlich schicken weißen Anorak aus, übergab ihm dem Pförtner mit der Maßgabe: „Für das lachende Pferd“. Hielt ich doch das Ganze für ein Ablenkungsmanöver und lebte für einige Tage in der Vorstellung, dass man beliebte, mit der Maßnahme der Grenzöffnung einen kleinen Militärputsch zu verbinden. Der Pförtner nahm auch diesen Anorak entgegen, man war in diesen Tagen einiges gewohnt, und nun sollten sie sehen, was sie damit wohl anfangen können. Auf jeden Fall, ihn erst mal für eine Weile untersuchen müssen. Den mir nahestehenden Menschen hatte ich gar nicht mehr angetroffen, und er war wohl so enttäuscht, wie es die engsten Genossen wohl auch sein werden, die ich hier alle nicht mehr namentlich würdigen kann.

Auf dem Rückweg hielt die S-Bahn auf freier Strecke, direkt an der Brücke in Baumschulenweg. Damals konnte man noch die Türen öffnen, wann man wollte, und ich stieg einfach auf den Schotter runter, besuchte meinen Ex-Schwiegervater, der der einzige war, den ich kannte, der etwas mit dem Staatsapparat mal zu tun gehabt hatte. Auch da lief ich ein bisschen ins Leere, aber er ließ hinterher mal in der Familie durchblicken, dass ich mächtig Schwein gehabt hätte.

Am nächsten Morgen, also Freitag, waren viele nicht arbeiten und holdrio in den Westen. Auch da hatte ich noch einen Plan, aus dem dann auch nichts mehr wurde. Immer dieses Ding mit dem Militärputsch im Hinterkopf, und wer Berlin damals gesehen hatte, alles voller parkender Autos und eben das blanke Chaos, der hatte vielleicht auch Verständnis für diese etwas panische Vorstellung. Man hatte mich schon vor der Demo als Parteisekretär wieder abgesetzt, weil das ganze Unternehmen doch zu gewagt erschienen war und ja doch so glimpflich abging. Trotzdem konnte ich am Freitagmorgen noch Genossen um mich scharen und schlug mal eben einen Fußmarsch von Adlershof zum Großen Haus vor, wo sich bestimmt noch einige dazugesellt hätten, woraufhin mir der vorherige Parteisekretär (Siegfried Müller) das wutschnaubend untersagte, dann verschwand und statt seiner dann zwei Krankenwagen auftauchten, ein ziviler und ein militärischer und wir mit Müh und Not in eine geschlossene Abteilung uns absetzen konnten, wohinein die hilfreichen Hände nicht so schnell gelangen konnten.

Ein Genosse handelte mit den „Medizinern“ freies Geleit aus nach Neue Mühle, und dort sollten wir wie alle anderen in dieser Zeit fernsehen, denn es tagte jetzt live die Volkskammer. Das ertrug ich nicht lange und auch die bereitliegenden „Spiegel“ reizten mich nicht. Ich stieg also über die verschlossene Tür und der liebe Gott wollte, dass ein Kranwagen der sowjetischen Streitkräfte unmittelbar neben mir anhielt, die Soldaten ausstiegen und nachsahen, ob sie unter der Autobahnbrücke durchkämen. Ich fragte, ob sie mich mitnehmen könnten: „Да, разумеется. Да что же!“

Fortsetzung folgt

C.R. anno 2023

Erratum zur Überschrift: Doch ein Anlass, der Geburtstag meiner ältesten Tochter, die sich eigentlich besser auf Spanisch versteht und der das alles bis hierhin auch recht spanisch vorkommen wird. Herzlichen Glückwunsch Dir in der Ferne!