Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne Nummer 01/2020 „Pygmalion“

Pygmalion

Das ist weder ein Gewürz noch hat es etwas mit Pigmenten zu tun, allerdings mit letzterem schon ein bisschen, denn der König Pygmalion aus der griechischen Sagenwelt war aus einem hier nicht zu nennenden Grunde grundsätzlich unzufrieden mit den Frauen. Als er dann zur Zerstreuung ein bisschen Bildhauern wollte, was kam da heraus? Wieder eine Frau, die so schön war, dass es sein heißester Wunsch war, dass sie zum Leben erweckt werde, was unter Beihilfe von Aphrodite dann auch geschah. Dann war nach den alten Sagen die Welt für ihn in Ordnung und sie gebar ihm sogar zwei wunderschöne Töchter.

Dieser Stoff beschäftigte die Künstler über Jahrhunderte, heute nicht mehr, weil sein Ideal zu erschaffen, nicht mehr auf der Tagesordnung steht. Höchstens noch My fair Lady kennt man noch, wo der König zum Linguisten wird und die Geschaffene, Galatea, zu einem einfachen Blumenmädchen. Da tut der gewesene König und nun nur noch Linguist sein Werk an einer durchaus schon lebendigen Person, eben diesem Blumenmädchen und möchte ihren Slang in eine gehobene Sprache verwandeln, was auf den ersten Blick auch zu gelingen scheint (es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen), aber dann in einer Enttäuschung endet, als sie bei einer Gelegenheit spontan wieder in ihre gewohnte Ausdrucksweise zurückfällt.

Überhaupt hat sich das Faszinosum, sich eine Frau nach seinem Bilde zu erschaffen, die dann, lebendig geworden, auch noch alle Träume erfüllt, schon in den letzten drei Jahrhunderten ins Negative gewandelt. Da wurde die Marmorfrau schon mal wieder zur Staue erstarrt zurückgewünscht und wurde auch mal zu einer Betonplastik. Da wurde also die alte Lebensregel: Es kommt immer anders, als man denkt, mal übersehen. Wäre es nicht auch ein bisschen linear um das Leben bestellt, wenn sich unsere Wünsche und Träume eins zu eins realisieren ließen?

Die weibliche Intuition ist so wach, dass sie mit einer solchen Idealisierung gut umzugehen weiß. Wie man sich noch anbetungswürdiger macht, wenn erst der Strich durch die männlichen Rechnungen gezogen ist. Diesen Männern, die ihrer Traumfrau zu begegnen gedenken oder sie gar formen wollen, sei geraten es mal mit ehrlicher Arbeit zu versuchen, sich zum Beispiel mit der Technik zu beschäftigen, wo man das Gehirnschmalz und Geschick eindeutig am Erfolg messen kann, und wenn etwas nicht geht, man sich an den Hersteller wenden kann und reklamieren, was bei den göttlichen Geschöpfen eigentlich nur im Gebet möglich wäre. Und wer wollte Gott schon zumuten, einem die passende und ideale Frau zurechtzuschneidern. Das wird sich dann doch keiner trauen.

Wie schön muss es dagegen sein, ein Ideal auf sich projiziert zu wissen und dem doch in kaum einer Weise entsprechen zu müssen. Wie kann man da neidisch werden.

Christian Rempel in Zeuthen, den 19.1.2020