Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW 42 2018 „Brief ins Nirvana“

Brief ins Nirwana 

Lieber Olaf,
das Schreiben ist ein sprödes Geschäft und aus der Mode noch dazu. Wie sehr das Lesen auch schon aus der Mode ist, weiß ich nicht so genau. Man konnte sich das bei mir mal kaufen, als ich den Gedichtladen noch hatte, aber jetzt ist diese Seite als langer Monolog ausgelegt, der allerdings von jedermann zu lesen ist, der dann wieder schreiben könnte, aber dazu fehlen manchmal die Worte.

Nicht dass ich Worte, geschriebene, überbewerten möchte, aber sind sie nicht auch Teil einer Kultur, der wir uns verpflichtet fühlen sollten, selbst wenn wir sie eben glauben nicht erzeugen zu können? Man hat noch seine Freiräume, man kann auch ohne zu schreiben sich eine Meinung bilden. Man kann sie auch im engsten Kreise heranbilden, ohne dass derjenige, um den es geht, je etwas davon erfährt.

Man kann sich aber auch in dieses Schweigen gut hineindenken, das ist manchmal beeindruckender als laute Beschimpfungen und man kann, was fast immer richtig ist, das Beste vom anderen annehmen.

Dir wurde etwas in die Wiege gelegt, was bei weniger Abgeklärten richtigen Neid hervorrufen könnte, bei mir ist es ungeteilte Bewunderung. Du bist den meisten Menschen angenehm, erlebtest die große Liebe und kannst das alles ausbauen und mehren bis zu höheren Weihen.

Bei den Festen der Stille hast Du uns die Türen der Wohlhabenden geöffnet, die sonst sich gern im Hintergrund halten, Deine Leute haben das Babajaga–Haus, solange es genutzt wurde, herübergefahren, Dein Gottfried half, soviel nötig war, Du hast uns mit Hauptpreisen für die Tombola ausgeholfen, wie es in Deinen Möglichkeiten stand und wenn es mal geschneit hatte, warst Du Dir nicht zu schade, Dich auf den kleinen Trecker zu setzen und den Festplatz freizuschieben. Ohne Deinen Hänger hätten wir all die Sachen gar nicht transportieren können. Das ist alles gut aufgehoben in unserem Gedächtnis und zudem bist Du ja noch eine Führernatur, der auch andere zu Leistungen anspornen kann.

Das alles ist auf der Habenseite, aber ebenso wichtig ist das Sein. Dieses Sein kann ich allerdings wenig beurteilen, weil ich ja gemieden werde und indem Du den letzten Brief nicht beantwortetest, scheinst Du Dich vollkommen auf Dein gewinnendes Wesen bei unserem bevorstehenden Gespräch zu verlassen, auf das man wirklich gespannt sein kann und das für die Öffentlichkeit sicher weniger geeignet ist, die ja sowohl aus wohlmeinenden Zeitgenossen als auch aus noch weniger entwickelten bestehen kann.

Da gibt es eben noch einen kleinen Unterschied zwischen uns. Ich bewege manchmal Dinge über größere Zeiträume, um sie dann aufzuschreiben, Du offenbar auch (es sind ja nun 23 Jahre seit einem Einschnitt), aber Du bedenkst sie, um sie dann auszusprechen, was vielleicht auch viel natürlicher und wirksamer ist.

Nur dass wir in diesem Fall doch etwas aufschreiben müssen oder lassen es andere machen, denen es allerdings bei aller Kenntnis vergleichbarer Fälle schwerfallen wird, etwas Vernünftiges zustande zu bringen. Das Recht drängt nun mal zur Schriftform, in der ich nun ein bisschen mehr zu Hause bin. Gern kann man sich da über Entwürfe auch diskursweise austauschen.

Meiner Wertschätzung tut das aber keinen Abbruch und daher sei dieser versichert.

Mit guten Grüßen

Christian Rempel in Zeuthen, den 21.10.2018