Der Gedichtladen

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Kolumne KW26 „Frischer Juni“

Frischer Juni

 

Meinem Unmut bezüglich des Über­schreitens der Sonnenwende wird Genüge getan, wenn erst einmal gar nichts passiert und die Tage nicht gleich kürzer werden. Freundlicher­weise bedient sich die Natur ja einer Sinusfunktion, bei der im Maximum erst einmal gar nichts passiert, sie ist einfach konstant. Doch da der Übergang zu den kurzen Tagen ja irgendwie geschafft sein will, muss man sich dann umso mehr eilen, um wieder im Dezember beim kürzesten Tag anzukommen.


Vorgestern rief mein Vater mit der Meldung an, dass die Johannisbeeren reif sind und ich wollte gleich Freitagvormittag, wo ich ja frei habe, das große Werk des Pflückens beginnen. Da hatte ich aber einen Einfall, der mir durch das Internet suggeriert wurde, dass es nämlich eine Konstruktion gibt, die erlaubt den Strahlengang in einem Zweilinser nachzuvollziehen. Doch so großes Papier habe ich gar nicht es wirklich zu konstruieren, auch wenn ich meinen Zirkelkasten in Ehren halte. Da musste das Ganze also in Excel ausgerechnet werden, was etwa vier Stunden in Anspruch nahm, und dann standen die Brennweiten und die Hauptebenenabstände da. Nur schade, dass ich die Abbemethode zur Ermittlung von Brennweiten noch nicht so richtig verifizieren konnte. Meine ersten Versuche erbrachten regelmäßig zu große Brennweiten. Aber da ist wahrscheinlich auch noch Ausdauer vonnöten.

Als um 15 Uhr alles ausgerechnet war, konnte ich mich ans endlose Geschäft des Johannisbeerpflückens machen, denn es soll ja nichts verkommen, und heute, einen Tag später, ist es geschafft. Jetzt muss nur noch die Ernte in die Tiefkühltruhe. Das alles auch noch bei schönem Wetter, was mich zu folgender Ode an den Monat Juni veranlasste:

Juni

Johannisbeeren ohne Ende
verkommen sollen sie ja nicht
wenn das nicht bald ein Ende fände
würd säuerlich so manch Gesicht

Der Juni geht nun auch zur Neige
die Tage werden kürzer nun
ertrag’s geduldig und bezeige
dem Sommer sommerliches Tun

Und über allem ist ein Schweben
der Jahreszeiten leiser Schritt
sie geben Grund zum Weiterleben
ich leb mit Dir und Du webst mit

Doch geistig Nahrung, die ist rar
die Glotze geht doch kaum noch aus
doch helle, wie es gestern war
sind weder Mann noch sind es Maus

Ein jeder Krume ist da recht
den wir an geistig Brot noch finden
und unser menschliches Geschlecht
des Himmels Höhen zu verbinden

Was ist noch höher als die Linde
die mir so traut vorm Fenster steht
das ist die Liebe, die ich finde
und die – so hofft man – nie vergeht

C.R. 28.6.2014


Christian Rempel im Waltersdorfe
28.6.2014