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Kolumne KW 40 2016 „Eulen und Meerkatzen“

Eulen und Meerkatzen

 

Es mag nun den Eindruck erwecken, dass ich alle Narrenliteratur lese, wenn jetzt auch noch von Eulen und Meerkatzen die Rede ist, die man unschwer Till Eulenspiegel zuordnen kann, der im 14. Jahrhundert gelebt haben soll. Eulen sind ja heute wieder ein Modeartikel und Eulenspiegel fände sicher reißenden Absatz damit, und mit Meerkatzen sind natürlich keine Katzen gemeint, sondern Affen, die ähnlich lange Schwänze haben.

Erich Kästner (1899-1974) hat diese Geschichte in 13 Episoden für die Kinder erzählt und E.A. Rohloff hat nicht weniger als 52 Streiche gesammelt und zu Papier gebracht.

So soll Eulenspiegel unter anderem in Hamburg Narren gesät haben, indem er Kieselsteine wie ein Sämann auf dem Pflaster verteilte. Damals herrschten strenge Sitten und er wurde gezwungen alle Steinchen wieder aufzuklauben, aber der eine oder andere mag doch liegen geblieben sein und die Saat sogar aufgegangen. Jedenfalls trifft man auch heute noch in Hamburg und im übrigen Deutschland, durch das er mit seinem löchrigen Kieselsteinsäckchen zog, den einen oder den anderen Narren.

Der Obernarr Eulenspiegel war natürlich bei weitem kein Dummer, sodass er sogar eine Disputation an der berühmten Prager Universität bestanden hat. Als man ihn nämlich fragte, wie viel Eimer Wasser alle Meere und Ozeane enthalten, erwiderte er, dass die Professoren doch bitte mal für einen Moment alle Flüsse, Bäche und den Regen anhalten mögen, dass er es genauestens sagen könne. Auf die Frage, wie weit das Sternenzelt entfernt sei, gab er an, dass es sich in Rufweite befinde. Die Professoren mögen nur hinaufsteigen, dann werde er rufen und es ihnen beweisen. In Erfurt wollte er den Professoren in zwanzig Jahren einen Esel abrichten, der lesen könne, und brachte es immerhin so weit, dass der Esel ein I und ein A herausbrachte. Mehr konnte man nun wirklich nicht von ihm verlangen.

Schön ist auch, wie er in Nürnberg an einem Tag alle Kranken eines Spitals heilte, und das mit Hilfe eines Pülverchens, das er angab aus dem Kränkesten zu brennen, der dann natürlich keiner sein wollte und sie alle aus dem Spital humpelten, krochen oder sich tragen ließen. Einen Tag später allerdings, als Till mit seinem Honorar schon abgezogen war, kamen sie alle zurück und fühlten sich noch kränker als vorher. Lagen also der Bürgerschaft wieder auf der Tasche.

Die meisten Streiche spielte er allerdings den Handwerkern und Wirten, wenn er Sprüche, wie: „für 24 Groschen essen“ ernst nahm und nach gehabtem Mahl noch sein Geld einforderte. In diese Rubrik gehört eben auch die berühmteste Geschichte, als der Schalk seinen Bäckermeister eine ausgesprochen dumme Frage stellte. Wo er schon jeden Tag Brot und Weißzeug gebacken hatte, fragte er wohl immer wieder nach, was er denn Backen solle, bis sein Meister in Wut geriet und „Eulen und Meerkatzen“ knurrte, mit dem bekannten Ergebnis.

Eulenspiegel musste des Öfteren eiligst sein Bündel schnüren und eine Stadt aufsuchen, wo man ihn noch nicht kannte. Trotzdem muss er es verstanden haben, seinen Unterhal­tungswert höher anzuschlagen als die Wut, die er manchmal entfachte. Sonst wäre er wohl nicht sonderlich alt geworden.

Darauf eine Existenz zu gründen, macht ihm heute nicht so schnell einer nach, wo die Spaßmacher harmlos geworden sind und kaum mehr Wut auf sich selbst ziehen, weil man sich lieber auf Kosten anderer amüsiert.

Christian Rempel in Zeuthen, den 07.10.2016