Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

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Als nun Herrn Habeck oder Herrn Scholz nichts weiter einfiel, als auf ihre Worthülsen, die da sind „Nachhaltigkeit“ und neuerlichenfalls „Vernetzung“ zu starren, besann sich einer darauf diesen Herrn Goethe aus Weimar kommen zu lassen, was diesem allerdings eine beschwerliche Reise hätte werden müssen, da weder der ICE noch ein Aeroplan für diesen aus Weimar zur Verfügung stand, und binnen kurzem von ihm ein Kassiber eintraf, auf dem stand: „Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, der hat auch Religion, wer beide Dinge nicht besitzt, der habe Religion.“

Da hätte man auch gleich diesen Kant aus Königsberg kommen lassen können, so klang da der kategorische Imperativ durch, aber jene Stadt sei doch an Putin verloren.

So im Nachdenken, was uns das Universalgenie Goethe hätte sagen können, fiel Herrn Habeck nur eines ein: „Mein Leipzig lob ich mir“, und dachte dabei an das letzte Gelage mit seinen Parteifreunden.

Aus Leipzig kam durch den Timetunnel nun wirklich ein Gelehrter, der sich als Gustav Theodor Fechner vorstellte, von dem die beiden Herren noch nie etwas gehört hatten, und Sie sicher auch nicht (alle hier angeführten Zitate stammen aus dessen Werk Zend Avesta). Geduldig und gottesfürchtig, wie dieser nun war, hörte er sich erst mal die Vorstellungen an, die die beiden um die Natur anstellten. Das war es doch auch, was die Grünen großgemacht hatte, und man würde heute noch schneller nach Hamburg kommen, mit dem Transrapid etwa, hätte es nicht die Großtrappen entlang der Strecke gegeben, die das wohl zu verhindern wussten, doch nicht eigentlich sie, sondern die Menschen, die sich für sie einsetzten. So weit so gut.

Eines Gottes haben die beiden Politiker da nicht bedurft und des Besitzes von Kunst und Wissenschaft konnten sie sich wohl auch nicht rühmen. So sahen sie etwas abschätzig auf diesen verstaubten Gelehrten Fechner herab. Hätten sie Goethen vor sich gehabt, so hätte dieser wohlweislich zu verschweigen verstanden, dass er im Grunde Pantheist war, für ihn also eine Identität zwischen Gott und der Natur bestünde. Fechner dagegen sah zwar alle möglichen Kreise, die ansatzweise über Bewusstsein und Vorausschau verfügen, aber alle diese Kreise umfasst von einem, den man sich größer gar nicht denken kann – und dieser sei eben Gott.

Doch solche, bis in die Unendlichkeit hinaustragende Gedanken hegten die deutschen Politiker nicht mehr. Bestand doch ihre ganze Philosophie aus dem sog. unsichtbaren Händchen, das ja nun unmöglich eines der Gliedmaßen des Allmächtigen sein konnte, der zwar ebenfalls unsichtbar, aber sich eine Verniedlichung seiner Zornesfaust sicher verbeten hätte.

Im Gegensatz zu den meisten, hatte Fechner aber sowohl die Monarchia von Dante Alighieri als auch dem erklärenden Aufsatz „Die Menschheit als Mittel der Natur“ auf der Gedichtladenseite gelesen, auch wenn sich da nicht eines der Gedichte von Friedrich Rückert, seinem Lieblingsdichter, findet, was wir aber sogleich nachholen wollen:

Auf Erden gehest du und bist der Erden Geist;
Die Erd erkennt dich nicht, die dich mit Blüten preist.
Auf Sonnen stehest du und bist der Sonne Geist;
Die Sonn erkennt dich nicht, die dich mit Strahlen preist.
Im Winde wehest du und bist der Lüfte Geist;
Die Luft erkennt dich nicht, die dich mit Atmen preist.
Auf Wassern gehest du und bist des Wassers Geist;
Das Wasser kennt dich nicht, das dich mit Rauschen preist.
Im Herzen stehest du und bist der Liebe Geist;
Und dich erkennt das Herz, das dich mit Liebe preist.
Friedrich Rückert (1788 – 1866)

„Freilich habe ich das Herz am rechten Fleck“, schwadronierte da der eine der Politiker, „aber man hört, Sie sähen in der Erde was, das könnte interessieren,“

„Was anderes tut der Mensch, als sein Moment zur Fülle der Entwicklung der Erde herzugeben, ein im Hiersein kurzes, kleines, und die Erde geht groß und ewig durch den Himmel“, so Fechner. „So ewig ja nun auch wieder nicht, noch fünf Milliarden Jahre werden es wohl sein.“

Immerhin, brachte da Fechner zum Ausdruck, Ewigkeiten könne man sich ja doch nicht denken. Er sah sich in dem Büro um, um ein Werkzeug zu entdecken, aber außer einem leise vor sich hinfächelnden Computer und ab und an eine Störung durch beflissene Referenten, deutete hier nichts auf eine Werkstatt hin. Er versuchte es trotzdem:

„In der Tat, wenn wir Werkzeuge machen, um in die Natur außer uns zweckmäßig einzugreifen, dürfen wir uns andererseits selbst als Werkzeuge ansehen, welche die gottbeseelte Natur gemacht hat, in sich zweckmäßig einzugreifen. … Wir sind innere Werkzeuge derselben, die sie mit Bewusstsein braucht; sie braucht sie eben mittels unseres Bewusstseins.“

Stirnrunzeln: „zweckmäßig eingreifen?“, Bewahren und Verhindern, das sei doch eigentlich alles, was die Natur von uns fordert, von uns Grünen jedenfalls.

Natürlich auch gottbeseelt, aber sich diesen größten aller Kreise zu denken, übersteigt ja ohnehin das Menschenmögliche. Aber immerhin seien wir in diesem Werkstattbilde eben Werkzeuge, wie man sich in einem allgemeineren als Mittel der Natur verstehen kann, wie wir jüngst zu erwägen wagten.

„Es ist in jedem Fall sonderbar zu glauben, dass weniger Bewusstsein dazu gehörte, ein bewusstes, als ein unbewusstes Werkzeug zu schaffen. Vielmehr muss das Bewusstsein des innerlich gemachten Werkzeugs selbst für das Bewusstsein des innerlich Machenden beweisen.“

Die Natur also als Macher, und wie schwach sei doch die Makers Szene in Deutschland, runzeln die auch nicht gerade als Macher glänzenden Politiker wieder die Stirne.

„Wir sind im Zusammenhange der ganzen Werkstatt der Natur zweckmäßig erfunden und eingerichtet worden, und dienen nun jeder besonderen Zwecken darin.“

Dass sie besonderen Zwecken dienen, fanden die beiden Politiker für sich sehr einleuchtend, wollten das aber den Genetic Engineers nicht zugestehen. Auch nicht den Physikern, die ihnen nun nach Jahrzehnten die ebenfalls nicht ganz saubere Kernfusion zu Füßen legen wollen. Das Gefühl des Gegeneinander statt eines Miteinander im Interesse der Natur und meinetwegen der Mutter Erde überwiegt irgendwie. Dabei könnte der Gedanke nahe liegen, dass das Wohl der Menschheit und der Natur in gewisser Übereinstimmung stehen. Solange allerdings nur, wenn man diesen ganzen Unsinn von einer bewussten Natur und einer bewussten Mutter Erde glauben wolle, wie sich dieses Werkzeug oder Mittel Mensch als tauglich erweist. Für die Natur als Mittel in sich einzugreifen, sich nicht nur zu erhalten, sondern einem Ziele zuzustreben.

Fechner räumt da gewisse Periodizitäten ein, er denkt ja an fast alles. Alles gelänge eben mal besser und mal schlechter. Selbst für das Nichtmachbare hat er einen Trost:

„Viel Hindernisse der Natur, die wir nicht zu überwinden wissen, sollen auch nicht überwunden werden, weil sie höheren Zwecken dienen.“

Dann brauchen wir uns also nur noch den Kopf zu zerbrechen, was die höheren Zwecke sein sollten. Vielleicht Albert Schweitzers Ehrfurcht vor dem Leben.

Das alles seien doch recht angestaubte Begriffe, das mit dem Dienen und nun noch Ehrfurcht, Gottesfurcht gar. Am besten, man setzt ihn wieder in den ICE, diesen Gustav Theodor Fechner, denn so genau wollte man es nun auch wieder nicht wissen.

Und nun wurschtelt man weiter …

C.R. 16.4.2023