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Kolumne KW19 „An der Angel“

An der Angel

 

Wieder mal etwas zum Ausprobieren: Befestigen Sie einen Stein oder eine Kartoffel (jedenfalls sollte es höherer Dichte als Wasser sein) an einem Faden, lassen sie die Wägeschale der Küchenwaage voll Wasser und wiegen es. Nun lassen Sie den Stein oder die Kartoffel an dem Faden in der Flüssigkeit schweben (er soll also untergetaucht sein, aber nicht unten aufliegen).


Durch diese Aktion steigt das Gewicht des Wassers, und wenn der Stein und die Kartoffel das gleiche Volumen hätten, um genau den gleichen Betrag. Auch an dem Faden würden Sie wahrnehmen, dass die Last nicht mehr ganz so groß ist. Sie vermindert sich nämlich um den gleichen Betrag, also um die Masse des durch das Eintauchen verdrängten Wassers. Das ist das Archimedische Prinzip und er soll es mit einer Balkenwaage festgestellt haben, bei der er die Krone des Königs Hieron in Wasser tauchte, um festzustellen, ob sie wirklich aus purem Gold sei.

Doch wer hat schon eine genaue Balkenwaage?, denn es zeigt sich, dass man ganz schön genau arbeiten muss, wenn man seinen Juwelier eines unverzeihlichen Irrtums überführen möchte. Wir stehen also nicht an, mit unserer einfacheren Methode des Wiegens des Wassers uns als einen modernen Archimedes zu sehen.

Mein Ehering wurde mir seit einiger Zeit der wichtigste Experimentiergegenstand und er soll angeblich aus 585er Gold sein, d.h. höchstens mit 41,5% eines anderen Metalles legiert. Natürlich habe ich beim Kauf meines Eheringes verabsäumt zu fragen, mit welchem Metall er legiert ist, und so kommen sowohl Silber als auch Kupfer in Frage.

Als ich den Versuch ausprobierte und festgestellt habe, dass der Stempel eigentlich 430er Gold belegen müsste, wenn der Ring mit Silber legiert wäre, meinte eine Assistentin, dass da bestimmt ein Messfehler vorliegt. Aber auch, wenn er mit Kupfer legiert ist, wäre es auch nur auf 515er Gold. Welchen Messfehler man gemacht hat, kann man ganz gut ausrechnen und er ist kleiner, wenn der Ring mit einem leichteren Metall legiert wäre.

Eigentlich war diese Problematik auch der Gegenstand eines Vortrags, den ich schon zu Anfang des Semesters vergeben hatte, aber noch nicht gehalten wurde, und als ich nun nach der Vorführung im Seminar die betreffende Studentin bat, mein Ehering­problem noch in den Vortrag einzubauen, erhielt ich zunächst eine Abfuhr. Ihr Vortrag sei schon lange fertig und sie wolle keine weitere Arbeit dort hineinstecken.

Da es aber ein einsamer Posten ist, ein moderner Archimedes zu sein, bat ich, dieses praktische Problem doch noch einzubauen. Eine gewisse Zeit passierte erst mal nichts und dann kamen Fragen, die verrieten, dass sie sich doch dem Problem nähere.

Man merkt doch meistens erst, wenn man selbst versucht, etwas auszurechnen, ob man die Sache verstanden hat, und ich versuche nun schon geraume Zeit die Studenten an diese meine Angel zu bekommen. Selbst wenn sie sich mit dem Stoff nur punktuell beschäftigten, wäre das besser, als sich eine Menge Stoff auf baldiges Vergessen für den Moment einzubimsen. Vor drei Wochen noch hatten alle den Erdradius als Zahlenwert parat, weil er abgefragt wurde, aber als er bei der Gravitation noch einmal gebraucht wurde, war alles schon wieder dem Vergessen anheim gefallen.

Christian Rempel,
Im Waltersdorfe 12.5.2013