Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW 21 2016 „Geschichte“

Geschichte

 

Der Henri Quatre kann einem genauso lieb sein wie Friedrich der Staufer, nur dass ersterer eben König von Frankreich und letzterer König von Deutschland und Kaiser war. Beide waren exkommuniziert gewesen, der eine, weil er hugenottisch war und erst aus taktischen Gründen wieder zum katholischen Glauben zurückgekehrt und der zweite hatte es mit den Sarazenen und arrangierte sich mit ihnen in Jerusalem sowie in seiner Heimatstadt Palermo auf Sizilien.

Was aber beide noch stärker verbindet, ist die Liebe zum schönen Geschlecht, sodass dies beinahe zur Hauptbeschäftigung ihres Lebens wurde. Wenn auch nicht jeder ein König sein kann, kann er doch die Frauen und ihre Schönheit verehren.

Schönheit ist heute so selten zu finden und noch seltener überhaupt erreichbar. Man kann sich ja nicht nur in Modelbildnisse in Journalen oder in Schaufensterpuppen verlieben. Um wieviel reizender ist es, wenn einem eine Schönheit leibhaftig über den Weg läuft. Dabei sind Frauen ja nicht nur, selten genug; sehr schön, manche haben auch Mitgefühl und können einem sehr gute Ratschläge für das tägliche Leben geben, sie sind also auch ziemlich begabt für das tägliche Leben.

Wenn man dann von der Liebe liest, für die die weltliche Macht eher ein Hindernis ist, kann einem schon das Herz übergehen. So ging es mir in der Jugend mit Heinrich Manns Roman Henri Quatre, den ich jetzt meinem Vater zu lesen geben wollte und der ihn nach wenigen Seiten wieder zur Seite gelegt hat und also nicht gelesen, oder ob es sich um das Schicksal von Pierre Siorac im Roman Fortune de France von Robert Merle handelt. In dessen Band „Das Königskind“ ist Henri Quatre schon ermordet, aber sein Sohn Ludwig lebt ganz im Andenken seines Vaters.

Das ist nun ein Hof mit vielen Intrigen und der Vater von Pierre ist so nett, ihm die Stelle des Kammerherrn bei dem noch minderjährigen König zu beschaffen, was ihn ein hübsches Sümmchen kostet. Die Regentin, die Mutter des kleinen Königs, ist immer bemüht, ihrem Sohn alle emotionalen Beziehungen zu vermasseln, dass er ihre Herrschaft nicht infrage stellen kann.

Aber das Schönste an diesem Roman von Robert Merle ist wiederum eine Liebesbeziehung, die der Protagonist gegenüber einer deutschen Gräfin hegt, der es dann auch gelingt, obwohl sie Hugenottin ist, sich wieder in Paris niederzulassen. Sie ist eigentlich seine Deutschlehrerein gewesen und doppelt so alt wie der junge Siorac, sodass sich eine richtige Liaison verbietet, aber seine Liebe ist so herzzerreißend, dass sie zum Schmuck des ganzen Romans wird, der sich ansonsten leider mehr um Hofintrigen rankt. Aber so viel ist, wenn man den Takt wahren möchte, eben auch nicht zu einer leidenschaftlichen Liebe zu sagen, also möchte auch ich davon schweigen.

Christian Rempel in Zeuthen, den 29.5.2016