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Kolumne KW 24 2016 „Kultur in der Kulturscheune“

Kultur in der Kulturscheune

 

Es ist wirklich das Ende der Welt, an dem Pritzen sich befindet, das unweit von Senftenberg liegt, in die sich noch zu Beginn der neunziger Jahre die Braunkohlebagger fraßen und auch dieses Dorf weggefressen hätten, wären nicht die Wende und der Niedergang der ostdeutschen Rohstoffgewinnung gewesen.

Hufeisenförmig umgibt jetzt ein See, der immer noch ein bisschen aussieht, wie ein Tagebau, dieses kleine Dorf, in dem man außer den Akteuren der Kunstscheune keinen Menschen sieht. Katja Wolf, die es sich auch beruflich zur Aufgabe gemacht hat, dieses gottverlassene Land mit Kultur zu beglücken, hatte die Kunstscheune mit großformatigen quadratischen Bildern bestückt, die alle einen identischen weißen Rand besitzen und nun mitnichten zerstörte und notdürftig wiederhergestellte Land­schaf­ten zeigten, sondern auf denen abstrakte Blautöne dominierten, manchmal abgelöst von auffälligem Orange, alles sehr dekorativ, wenig auf das Detail versessen.

Die damit verbundenen Seelenzu­stände kann man nur erahnen, jedenfalls hat es das Blau, wohl des Himmels dort als auch des neugewonnenen Wassers, das man ja früher als Feind der Braunkohle aus den Tagebauen pumpen musste und das nun langsam von ihnen Besitz ergreift. Das Blau ist auch die Symbol­farbe der IBA, die sich die Rekultivierung dort zur Aufgabe gemacht hat. Von der IBA-See Gesellschaft blieb nur noch das kleine see auf blauem Grund übrig.

Anmutig erklärte die junggebliebene Hobbymalerin ihre Bilder, die sich nebenbei auch der Klangschalen­therapie und der Astrologie verschrie­ben hat, den anwesenden Interes­sierten, die etwa 50 an der Zahl waren und wo ein Gutteil auch die weitläufige Familie ausmachte, für die allerdings weniger Zeit gewesen ist, denn viele wendeten sich immer wieder an die Malerin und wollten dieses Fest genießen.

Diese Phase dekorativer Kunst muss die Malerin in einem relativ engen Zeitrahmen ereilt haben, sodass fast alle Bilder aus dem Jahre 2015 stammten, einen Schaffensrausch könnte man das nennen. Mein Favorit war das Bild „Seelenabschied“, das gerade fertig geworden war, als sich eine Seele aus ihrer Verwandtschaft dann auch tatsächlich verabschiedete. Auch es ist blau gehalten, im Zentrum eine flächige Form, die im oberen Teil durch verschiedenartige Blüten verziert ist. Besonders beeindruckend, dass die irgendwie ringartige Form im unteren Teil dann den Blick freigibt auf einen sonnenbeschienenen Weg, der dann zweifellos der Weg der Seele sein könnte, den sie ins Jenseits genommen hat. So möchte man sich einen solchen Abschied gerne vorstellen und damit lasse ich sie in dem leichten Bedauern zurück, dass Sie nicht dabei waren.

Christian Rempel in Zeuthen, den 19.6.2016