Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW 06 2019 „Jena 1800“

Jena 1800 

Dieses erstaunliche Buch eines jungen Mannes, der wohl gerade mal 32 ist, Peter Neumann, findet sich jetzt in allen niveauvolleren Buchhandlungen und handelt von der Zeit der Frühromantik, ohne diesen Begriff eigentlich zu benennen. Schiller und Goethe mal als Randfiguren und im Zentrum die Gebrüder Schlegel, Novalis, Tieck, Schelling, Hegel und auch der Physiker Johann Wilhelm Ritter bleibt nicht unerwähnt.

Das schillert nur so von Anekdoten und die Figuren stehen für einen Moment wie lebendig vor einem, als hätte sie ein Zeitgenosse beschrieben. Man kann diese Zeit auch so einordnen, dass die Papierproduktion auf Zellulose erfunden worden war, das Papier nicht mehr nur ein Wertgegenstand sondern Gebrauchswert wurde, auf dem man alle Befindlichkeiten verzeichnen konnte, und diese Crème de la Crème hat auch weidlich Gebrauch gemacht davon, sodass man heute Kassiber die Masse, Briefe und Zeitschriften hat, die man damals mit großen Hoffnungen gründete und die ebenso schnell wieder verschwunden waren.

Die damalige Jahrhundertwende hat nicht wenig dazu beigetragen, dass man sich an einem Wendepunkt der Geschichte befindlich gefühlt hat. Die Welt sollte poetisiert werden, ein Impuls, der bis heute anhält, man aber nicht mehr die Hoffnung hat, damit etwas Entscheidendes zu bewegen. Damals sah man nichts Geringeres als ein neues Goldenes Zeitalter heraufziehen. Das Schisma der Kirchen sollte beseitigt werden und sich ganz Europa friedlich und christlich vereinigen.

Viele der kleinen Entdeckungen, die ich selbst mit dieser Zeit gemacht habe, finden sich leicht hingeschrieben in diesem Buch wieder. Man muss sich keine große Mühe mehr geben, sich durch die unterschiedlichen Lebensbeschreibungen zu wühlen, aber der Tiefgang muss auf diese Weise wohl auch verloren gehen. Auf jeden Fall kann es nur erstaunen, wie sich so ein junger Mann durch all diese Details gearbeitet hat und einem ein solches Buch aus einem Guss präsentieren kann. Das gibt zu Hoffnungen Anlass, dass bei der jungen Generation doch nicht alles verloren ist. Sollte er bei dieser Sache bleiben, wird sich mit der Zeit vielleicht auch noch mehr Tiefgang einstellen und man könnte versucht sein, mitzuforschen, zu symphilosophieren. Die Frühromantiker hinterließen viel Fragmentarisches, aber machten auch das Unfertige, das Unsystematische zur Maxime, sie wollten die ganze Sache eben lebendig erhalten, was ihnen ja auch gelungen ist.

Christian Rempel in Zeuthen, den 10.2.2019