Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW 24 2018 „Sündenlast“

Sündenlast 

Es gibt wohl Menschen, denen ist das Jüngste Gericht eine Gewissheit. Aufmerksam durchforsten sie ihr Leben, um darin Unzulängliches zu finden, werden auch immer fündig und beginnen sich zu fürchten, wenn es eines Tages mal zur großen Abrechnung kommen sollte.

Das kann sicher jeder halten, wie er will, wie es seinem Angstgefühl gegenüber etwas Höherem entspricht, aber meistens kommt dann noch etwas dazu, dass man die vermeintlich Gedankenlosen auch noch bekehren möchte. Das erreicht man am besten dadurch, dass man sich selbst als sündenbeladen offenbart, auch wenn alle um einen den Eindruck haben, man führe ein gottgefälliges Leben.

Nicht für jeden braucht es die Furcht vor einem höheren Wesen, sondern manche können Recht und Unrecht in den eigenen Handlungen ganz gut selbst entdecken. Man sollte darüber nicht rechten, denn einer hegt eben gern solche Ehrfurcht vor einem höheren Wesen und der andere glaubt nicht dran und ist sich selbst höchste moralische Instanz. Eigentlich bedarf es dazu auch nicht mehr des erhobenen Zeigefingers eines Pfarrers, denn dieser genügt sich heutzutage meistens darin, dass er seine Schäfchen im Glauben weiß und sie in die Kirche kommen.

Wenn wir mal einen Moment voraussetzen wollen, es gäbe einen Gott, der ja für manche Gewissheit ist, so hätte er den Menschen wohl so erfunden, dass er auch verbotene Leidenschaften und eben Handlungsfreiheit hätte, er dann am Ende zurückblickt, sein eigenes Leben in den Blick nimmt und dort Zeiten vorfindet, die einer Wüste gleichen, obwohl er doch auch diese Zeiten sehr beschäftigt und angespannt war. Im Nachhinein hat man es dann nicht allzu schwer zu bereuen, denn das soll ja helfen, um in einem Leben nach dem Tod, das wir ebenfalls gern mal voraussetzen wollen, eine gute Figur zu machen und nicht in irgendwelchen Kesseln zu schmoren. Diese Entscheidung kann der vorausgesetzte Gott nicht vom Glauben an ihn abhängig machen, sondern es zählen vermutlich allein die Taten. Andernfalls würde man ihn zu einem Eitlen machen, dem sehr viel daran gelegen ist, schon zu Lebzeiten verehrt zu werden.

Wie sollte er einen Menschen nicht schätzen, der all die gestrengen Maßstäbe in sich selber findet, und so sei man getrost, auch wenn man nicht alle Unwahrscheinlichkeiten gläubig annimmt.

Christian Rempel in Zeuthen, den 17.6.2018