Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW 05 2018 „Hartmut König“

Hartmut König 

Wer erinnert sich noch an Hartmut König, der nach 28 Jahren Schweigen jetzt seine Erinnerungen herausgebracht hat, als Siebzigjähriger, und das Buch ist eine wahre Fundgrube verschütteten Wissens, weil nämlich auf ganzen 539 Seiten die Rede von 42jähriger Geschichte im Osten Deutschlands die Rede ist, also auch von der ganzen DDR Geschichte. Die letzten 28 bewegten Jahre unter dem bleiernen Regime des wohl als bewährt anzusehenden Kapitalismus sind ihm gerade mal 5 Seiten wert.

Hartmut König stammt aus einfachen Verhältnissen. Vaterlos aufgewachsen, durch Mutter und Großmutter verwöhnt, tut er seine ersten Schritte in Ost und West. Er ist Altersgefährte des Thomas Natschinski, denn die Musikerfamilie zieht ins selbe Haus in der Schönhauser. Später wird er nach ersten musikalischen Versuchen mit Thomas dann den Oktoberclub mitbegründen, der eine ganze Welle in der DDR auslösen wird, nämlich die FDJ Singebewegung, die eine große Breitenwirksamkeit erreicht, viele internationale Lieder aufgreift und mit geringem technischen Aufwand auskommt. König konstatiert noch heute, dass er selbst Staatssekretäre in tiefen Nachwendezeiten getroffen habe, die sich als davon beeinflusst zeigten.

Dass diese schöpferische Betätigung als wichtiger anzusehen wäre, als der ganze Funktionärsscheiß, in den er sich in katapultartigem Aufstieg begibt, gehört nicht zu einer klaren Lebensbilanz, die man mit 70 hätte erwarten können.

Immerhin kann er doch nicht nur texten, sondern auch ganz gut schreiben und liefert nach einem etwas ausufernden Bild von allen bereisten Ländern, die damals durch die DDR unterstützt wurden oder gute Beziehungen zu ihr hatten, noch ein Wendebild aus der Machtsicht, zu der er sich ja, auch wenn er ewiger Nachwuchsmann bleibt, doch zu zählen hat. Dass es ganz ohne Macht nicht geht, weiß wohl jeder, inzwischen wohl auch, dass es dabei immer Geprellte gibt. Man kann Politik nur immer in ihrer Zeit verstehen, und die Zeiten waren eben vor dreißig oder gar 70 Jahren andere. Behutsamkeit hat in der Politik noch nicht Fuß gefasst, dort heißt sie Orientierungslosigkeit, Verlust von Visionen und Charisma.

Dabei wäre die Poesie durchaus ein solcher Ausweg, wie die Chinesen schon vor tausend Jahren wussten und ihren angehenden Beamten Gedichteschreiben nach künstleri­schen Maßstäben auftrugen.

Der heutige Politiker ist ja immerhin auch ein Wort- und Wendungsfinder, aber dazu muss man sich keine ganze Rede mehr anhören, es reichen diese Extrakte, die brav herausgefischt werden.

Manchmal lohnt es sich zwar noch, aber wie selten ist das.

Christian Rempel in Zeuthen, den 22.1.2018