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Kolumne KW11 „Kunsterlebnis“

Kunsterlebnis

 

Vieles, was man heute an Kunst sieht, möchte man gar nicht als solche bezeichnen. Oft ist es nur eine mehr oder weniger originelle Idee, die wenig mit Können zu tun hat.

Gestern sahen wir in Halle die Aus­stellung „Turn it around“, was immer das auch bedeuten soll. An dieser Ausstellung sind 11 junge Künstler beteiligt und die Handschriften sind sehr unterschiedlich.


Trotzdem kann man ein Motto über diese so unterschiedlichen Werke schreiben: Vermarktbar, könnte es lauten, denn man kann sich fast alles auch in einer Bankfiliale vorstellen, in der aus Verzweiflung über die Einfallslosigkeit des Geldes, selbiges verwendet wird, um ein kleines Erstaunen hervorzurufen.

Nichts eignet sich besser zum Borgen einer Identität als Kunst. Man kann so tun, als hätte man selbst diese außergewöhnlichen Einfälle, als wären Banker auch ein wenig Künstler.

Da findet man eine Holzskulptur eines Frauenkopfes, dessen Haare holzbelassen sind, aber das Gesicht ist bemalt und sieht aus, wie geschminkt.

Da sieht man zwei Lichtkästen, die aussehen wie die figürliche Buntverglasung von Kirchenfenstern, aber die dargestellten Figuren sind Ersatzheilige, in diesem Fall Madonna und George Clooney. Auch das ist sehr dekorativ, wenn man sich nicht daran stört, dass es eine kritische Aussage beinhaltet.
Eiförmige überdimensionale Weih­nachts­­kugeln zeigen, durchsichtig im Innern Fotografien von Atompilzen auf transparentem Untergrund, die man fast als schön bezeichnen könnte, was verstörend wirken soll.

Ein anderer Künstler hat große Körper nach dem Prinzip des Aposematismus geschaffen, wobei durch auffällige Färbungen die eigentliche Form in den Hintergrund tritt und in der Tierwelt der Warnung und Verunsicherung dient.

Drei schlafende Seraphime auf Kinderliegen hat meine Tochter beigesteuert. Diese Engelswesen verfügen über sechs Flügel, die sie um Leib und Gesicht geschlagen haben und nur die rührenden kindlichen Füße schauen heraus. Immer wieder schauen Leute nach, ob auch die Gesichter da sind, die auf diese Weise verborgen sind.

Nicht alle Werke können hier genannt werden, aber man kann sich noch bis zum 6. April selbst überzeugen, was dort alles zu sehen ist, wenn einen der Weg nach Halle führt. Man wünscht den Künstlern ein auskömmliches Leben und dass ihnen die Einfälle und Techniken nicht ausgehen. Doch nicht allen ist das bisher beschieden, ihr Leben ist eher ein Kampf ums Überleben. Man kann sich damit trösten, dass das schon immer so war, aber man möchte dieses Lebens­element heute weniger vermissen, denn je.

Christian Rempel im Waltersdorfe, den 16.3.2015