Der Gedichtladen

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Kolumne KW08 „Vom Gewogensein“

Vom Gewogensein

 

Die Überarbeitung der Versuchsan­leitungen an der HTW schreitet voran. Schon vier Versuchsanleitungen sind überarbeitet und jetzt geht es an die fünfte. Man könnte Ehrgeiz als Triebfeder vermuten, denn Geld gibt es dafür nicht. Nichts stünde dem im Wege, alles immer so weiter zu machen, wie es fast schon für Jahrzehnte geht. Dabei ist Forschung ein dynamisches Gebiet und die Hochschule handelt sehr richtig, wenn sie praxiserfahrene Wissenschaftler als Lehrbeauftragte beschäftigt, wie auch ich mir zugute halten kann.

Wenn man sich nun daranmacht, eingefahrene Geleise zu verlassen, so hat das vor allem didaktische Gründe im Interesse der besseren Vermittlung des Lehrstoffs. So waren die Studenten immer wieder mit einfachen Messprogrammen konfrontiert, deren Algorithmen versteckt waren, manchmal sogar fehlerbehaftet oder die korrekte Deutung war auf der Strecke geblieben bei manchen „Überar­beitungen“ von nicht ganz kompetenter Hand. Das führte dann dazu, dass die Studenten das wichtige statistische Hilfsmittel der linearen Regression nie zu Gesicht bekommen haben, sondern sich auf verdeckte Routinen verlassen sollten.

Den Anstoß brachten zwei Studentinnen der Bekleidungstechnik, die mal genau nachgerechnet hatten und einen solchen Fehler aufdeckten. Deshalb muss nun alles neu aufgenordet werden und geprüft.

Bei einigen Versuchen konnte da schon Abhilfe geschaffen werden und die Experimente laufen nach den neuen Maßgaben besser als vorher. Die Studenten vertiefen ihre inhaltlichen und Excelkenntnisse und für die Prüfung der Ergebnisse stehen Übersichten zur Verfügung.

Da heißt es natürlich dazuzulernen, nicht nur bei den Studenten, sondern auch bei den Lehrkräften, also auch auf dieser Seite ein wenig studentische Tugenden zu beweisen. Die Vehemenz des Widerstandes auf dieser Seite übertrifft völlig meine Erwartungen. Statt sich gegenseitig gewogen zu sein und sachliche Argumente ins Feld zu führen, möchte man sich lieber des Störfaktors entledigen, indem man seine Beziehungen spielen lässt, sich an den Prüfungsausschussvor­sitzen­den Herrn Professor Raphaélian wendet, der diese Situation schwerlich wird überblicken können, mit dem Ziel, sich von unliebsamen „Lehrbe­auftragten“ (die Anführungsstriche stammen vom Missmutigsten unter den Lehrkräften) zu befreien.

So sieht es also in manchen Fällen mit dem gegenseitigen Gewogensein aus. Ein Lebenswerk wird da mit Zähnen und Klauen verteidigt, auf dass es auf immer bestehen bleibe. Man verbat sich jegliche Änderungen daran vorzunehmen, und nun, da ein neues Produkt fast fertig dasteht, kann man sich nicht daran mitfreuen, sondern muss den Autor um jeden Preis vernichten.

Werden Sie Zeuge, was daraus wird. Wie leicht entwickelt sich ein Fortschritt aus einer eingefahrenen Situation?

Christian Rempel im Waltersdorfe, den 21.2.2015