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Kolumne KW06 „Geburtstage“

Geburtstage

 

Angeblich gibt es im Winter ja weniger Geburtstage als im Sommer. Das soll auch die Statistik ein bisschen verzerren, denn sonst kann man nämlich, wenn der Fami­lienkreis groß genug ist, das sog. Geburts­tagsparadoxon prüfen. Bei uns gehören etwa vierzig Leute zum engeren Familienkreis und laut Statistik ist die Wahrscheinlichkeit dann bereits 90%, dass zwei am gleichen Tag Geburtstag haben.

Da die Rempelei aber in vielem ein bisschen außergewöhnlich ist, ist es bei uns gleich dreimal der Fall, dass zwei am gleichen Tag Geburtstag haben.

Die Bekanntschaft mit diesem Geburtstags­paradoxon verdanke ich dem Buch von Eckhart von Hirschhausen „Das Glück kommt selten allein“, wo er es zwar anführt, aber nicht erklärt, weil das ja Sache der Mathe­matiker sei. In der Feuilletongesellschaft zählt es natürlich nicht zu den gewünschten Eigenschaften, etwas von Mathematik zu verstehen.

Die beiden Geburtstage, die wir im Februar zu verzeichnen haben, meinen und den meiner Schwester, wobei letzterer sogar ein runder war, fallen nicht zusammen, aber haben nur einen Abstand von zwei Tagen, was dazu führt, das mancher nicht genau weiß, wer von uns beiden wohl zuerst dran ist. Ich wollte meinen eigentlich gar nicht feiern, denn er ist ja nur der einund­sechzigste gewesen, aber meine Frau hat mich mit der Einladung des Rempelclans überrascht und es wurde dann auch eine schöne Begebenheit, wo ich mal meine ebook Aktivitäten vorstellen konnte, natür­lich nicht ohne, dass sich meine Geschwister etwas gelangweilt haben, denn gegenseitige Anerkennung gehört bei uns nicht so zum Repertoire.

Zwei Tage später trafen wir uns dann in noch größerer Runde bei meiner Schwester und es wurde viel gelacht, auch bei meinem Gedicht, das sich aus aktuellem Anlass auch mit einem ernsteren Thema zu beschäftigen hatte. Auch da musste ich wieder einmal feststellen, wie einsam das Dichten macht, denn trotz vieler anerkennender Worte gab es von gewissen Seiten auch eisiges Schweigen.

Zwei meiner Brüder sind Mathematiker, die auch das Geheimnis des Geburtstagspara­doxons zu verstehen in der Lage wären, was mich veranlasste bei meiner Schwester einen Witz zu erzählen, den ich auch dem Hirschhausen entlehnt habe, den ich aber in eine künstlerische Form gebracht habe, so dass Sie sich selbst überzeugen können, warum meine Brüder nicht gelacht haben, auch wenn sie diesen Witz hätten verstehen können. Es ist aber ungeschriebenes Gesetz, dass man über die Witze des jüngeren Bruders grundsätzlich nicht lacht, um ihm auch nicht die geringste Freude zu gönnen, sich selbst aber die Freude der ernsthaftesten Ablehnung. Der Rest der Gesellschaft hat diesen Witz von der Dreierungleichheit gar nicht verstanden und so war der Flop schon programmiert. Da die Internetcommunity aber so weise ist und ja auch beliebig lange nachdenken kann, sei hier dieses Gedicht­chen aufgeführt:

Höchster Wunsch

Der Herrgott sprach zum Mathematikus:
„Ich heut Dir einen Wunsch erfüllen muss.
Hast mir gedient so manches Jahr,
wo ich nicht grad sehr tätig war.
Du hast gerackert Nacht und Tag,
was ich an Rätseln Dir aufgab.
Das hast Du alles brav gelöst
und selten nur am Pult gedöst.
Was soll es sein, denn Du kannst wählen:
Willst Du die selig Ewigkeit?
Gewiss bist müde Du vom Zählen
so steht ein Brötchen auch bereit.
Nur eines kannst Du davon haben,
denn an beidem sich zu laben,
wär der Wohltat wohl zu viel.“
Da denkt der Mathematikus,
man meint, er findet keinen Schluss.
Dann hellt sich sein Gesichte auf:
„Gib mir das Brötchen und verschnauf.“
Der Herrgott kann nun gar nicht fassen,
wie kann von Seligkeit er lassen?
Was bessres geben konnt‘ er gar nicht,
was geht nur vor in diesem Wicht?
Da sprach der Mathematikus
„Sehr einfach ist doch dieser Schluss:
Nichts ist besser als Seligkeit
und dann in alle Ewigkeit.
Doch dieses Brötchen, das ich seh,
ist besser als nichts und ich versteh:
Der kluge Mann wählt sich das Höchste,
der tumbe nur das Allernächste.“

C.R. 21.1.2014

Christian Rempel im Waltersdorfe
9.2.2014