Der Gedichtladen

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Kolumne KW36 „Wahlsonntag“

Wahlsonntag

 

Es ist schon ein schönes Potpourri von Parteien, die auf dem Wahlzettel stehen. Und tatsächlich wandeln die Waltersdorfer wieder in festlicher Kleidung in das Wahllokal am ehemaligen Rathaus, das jetzt ein Kulturzentrum sein soll, wo aber jährlich weniger als eine Handvoll Veranstaltungen stattfinden, zu denen dann allerdings auch weniger als eine Handvoll Waltersdorfer erscheinen.


Die Wahlhelfer sind Unbekannte, die auch von den alteingesessensten Waltersdorfern noch den Ausweis verlangen. Die Parteien sind aus dem Fernsehen oder den mehr oder weniger aussagekräftigen Wahlplakaten bekannt, aber es sind recht viele. Die größten haben auch nicht vor Postwurfsendungen zurückgescheut. Einem Treiben, dem ein vernünftiger Bürger lieber fernbleibt, wenn das denn ohne registriert zu werden möglich wäre. So aber kann man sehen, ob bei dem betreffenden Bürger ein Häkchen vorhanden ist, ob sich einer etwa in die innere Emigration zurückgezogen hat.

Da die Wahl eben der Weg des geringsten Widerstandes ist, geht man also hin und schreibt zum Beispiel einen Einkaufzettel auf das Formular. Wem das zu meschugge ist, der kreuzt eben die Partei des geringsten Übels an, am besten eben eine kleine Partei, auf dass es eben ein bisschen bunt bleibt in der Versammlung der Lehrer und Rechtsanwälte, die sich Bundestag nennt. Eine Partei warb auch mit der Einsicht: „Wenn Wahlen wirklich etwas verändern würden, wären sie verboten“.

Dabei kann man froh sein, wenn sich nichts verändert. Haben wir doch satt zu essen und eigentlich keine gravierenden Probleme, wenn man nicht gerade an den Rand der Gesellschaft geraten ist, zum Mindestlohn arbeitet, den es ja noch nicht gibt, eine Mindestrente bezieht oder gar keine eigenen Einkünfte hat. Auch diese Randgruppen sind so versorgt, dass sie nicht weiter auf den Pudding hauen.

Ganz Vorwitzige hören das Gras wachsen und sehen eine Inflation kommen, die dann dazu angetan wäre, die Geldmengen zu vernichten, denen ohnehin keine realen Werte mehr gegenüberstehen. So eine Flucht in die Sachwerte hat es ja schon öfter gegeben, zuletzt kurz vor dem Ende der DDR. Damals waren die Leute allerdings nicht so gut beraten, sich noch mit überteuerten Farbfernsehern einzudecken, wie es heute fraglich ist, ob man sich noch schnell den Hof pflastern lassen soll, weil es morgen nicht mehr bezahlbar ist. Die Wirtschaft hat ja immer damit zu kämpfen, dass eben die meisten nicht geneigt sind ihr Geld auszugeben. Wenn sie sich jetzt aus latenter Angst anders verhalten, könnte man das als Angstkonjunkturspritze sehen. Vielleicht kommt ja dadurch sogar alles wieder einigermaßen in Ordnung und man kann auf eine Inflation verzichten.


Kreuzchen hier und Kreuzchen da
die Illusionen sind so nah
und dann die Stimmen ausgezählt
die Inflation vom Hals gewählt
nahen so sich denn Veränderungen?
ist je denn so ein Sieg errungen?

Wir sind ein Wahlvolk demokratisch
im Grunde schon vor Angst apathisch
fehlt doch an Glamour fehlt an Glanz
und die Ideen fehl’n uns ganz

Wie haucht man wieder Leben ein?
der Schwester und dem Brüderlein
sie alle zaudern, nehm‘ sich wichtig
und liegen wohl im Grunde richtig


C.R. im Waltersdorfe 21.9.2013