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Kolumne KW16 „Collagen benötigen Erklärung“

Collagen benötigen Erklärung

 

Die UnDichter tagten an einem Ort, an dem jüngst eine Collagenwerkstatt stattfand. Das ist die Bücherstadt in Wünsdorf, die sich am Ort des einstigen Oberkommandos der Wehrmacht und späterem Russenobjekt befindet.


Diese Bücherstadt ist jetzt größtenteils wie aus dem Ei gepellt, alles ist schick renoviert und auch die Militärfahrzeuge in DDR- und russischer Bauweise, die dort gerade ein Treffen veranstalteten, glänzten wie frisch vom Band gelaufen.

Es gibt aber nicht nur Wohnblöcke und eine Bunkeranlage und eben das imposante Antiquariat, sondern auch einige Flachbau­ten, die früher vielleicht mal Ställe waren, und in einem solchen Flachbau haben sich Hagen und Sylvia eingerichtet, teilweise ist es Wohnung und teilweise Atelier. Hagen bezeichnet sich als Holzflüsterer und seine Arbeiten sind wirklich sehr eindrucksvoll, meist Wurzeln oder bearbeitete Holzstücke, die sehr dekorativ sind, allerdings sicher keine Familie zu ernähren vermögen.

Einen Teil des Ateliers zieren die Photos von Collagen, die wohl in der von dem Ehepaar veranstalteten Werkstattperiode entstanden sind. Die Photos hatte Hagen gemacht und sie verschaffen noch einen Eindruck, wie die Originalwerke ungefähr ausgesehen haben mögen.

Liane, die am begeistertsten von der Collageidee war, hatte sich bemüht, einen Text zu einem der Bilder zu verfassen. Ich hatte einen eigenen Versuch mit, indem ich ein kleines Gedicht collagiert, also zusammengeklebt hatte. Aber all das waren nur schwache Versuche und der Schub an anderen Texten ist auch einigermaßen schwach. Sylvia sagte dann, dass sie mit dieser Art Arbeiten nicht so viel anfangen kann und immer ein bisschen ratlos davorstünde.

Mir war schon vorher die Erkenntnis gedämmert, dass es zu den Collagen eigentlich immer eine Erklärung geben müsste, die aber kein Außenstehender geben kann, sondern die Künstler eigentlich selbst verfertigen müssten. Ohne eine solche Erklärung dämmert einem eigentlich noch weniger als bei einem gewöhnlichen Bild, was einem der Künstler damit sagen wollte.

Dann tauchte allerdings eine Idee auf, die ein bisschen Bewegung in die Runde brachte, dass nämlich jeder zwei oder drei Zeilen von sich zitieren soll, die dann zusammengeklebt werden sollten zu einer Wortcollage. Es entstand eine beachtliche kleine Sammlung, die sich beim bloßen Vorlesen schon ganz interessant anhörte und so könnte es sein, dass so eine Wortcollage ganz gut funktioniert.

Auch für Adaptionen, die ja ein etwas stiefmütterliches Dasein fristen, gab es Ansatzpunkte, als nämlich Jenny einen Text von einem bemitleidenswerten Kaktus in einem Blumenbeet vorlas. Manchen war er nicht bemitleidenswert genug, so dass ihn Andreas gleich noch zu seiner Stachligkeit auch noch blind machen wollte. Nun hat der Kaktus es aber an sich, dass er fast den ganzen Tag irgendwo hin starrt, und wie wäre das mit einem blinden Blick? Jedenfalls wollte fast jeder aus der Runde, einschließlich mir, mal eine Adaption auf diesen Text versuchen.

Insgesamt kann man froh sein, wenn überhaupt noch neue Texte entstehen. Das Meiste, was gelesen wurde, war schon älteren Datums und mindestens der Hälfte schon bekannt. Sollte die Idee der Undichter, sich immer mehr auf gutgemeinte Ratschläge zu verlegen statt selbst zu schreiben, sich etwa mangels zu kritisierenden Materials doch noch totlaufen?

Christian Rempel,
Im Waltersdorfe 21.4.2013