Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW48 „Hannibal aus der Sicht der Römer?“

Hannibal aus der Sicht der Römer?

 

Die Römer haben in summa 120 Jahren Krieg nicht nur Karthago ausgelöscht und Salz aus­ge­streut, dass an dieser Stelle in Nordafrika nicht mal mehr etwas wachsen sollte, son­dern auch jegliches Schriftgut vernichtet, auf dass man nicht mehr wisse, wie alles ver­lief. Damit glaubten sie ganze Arbeit geleistet zu haben, aber schufen doch eine Legende, so dass sich später eine Vorliebe für Hannibal etablierte, die bis heute anhält, obwohl die Karthager (Punier) letztlich alle drei „puni­schen Kriege“ verloren haben.

Manch einer zweifelt heute schon, ob das Ganze nicht die geistige Ausgeburt einiger antiker Historiker gewesen sei, die sich fernab ein paar widersprüchliche Ideen des Hergangs ausgeschwitzt haben. Dies war die Saga eines von karthagischer Seite quasi als Familienkrieg mit Söldnern durchgeführten Feld­zugs in drei Etappen, dem Geschlecht der Barkiden, wo der Vater Hamilkar Barkas den ersten Frieden ausgehandelt hat, worauf die drei Söhne Hannibal; Hasdrubal und Mago in den zweiten zogen und der dritte dann ohne Bar­kiden jämmerlich verlorenging und Karthago von der Bildfläche verschwand.

Mittelalterliche Künstler drückten die Hanni­bal-Affinität aus, indem sie ihn noch in An­we­senheit seines Vaters auf der iberischen Halbinsel Rom ewige Feindschaft schwören ließen, dann stürzten seine Elefanten reihen­wei­se die Alpen hinunter und schließlich nahm er malerisch den Giftbecher im Exil, um nicht in die Hände der immer weiter expan­die­renden Römer zu geraten.

Der Römer erstes Glanzstück bestand schon darin, dass sie Hannibal infolge des ersten punischen Krieges, der die Karthager Sizilien und dann noch Sardinien und Korsika und viele Talente Silber gekostet hatte, die Überschreitung des Iber untersagten. Noch heute rätseln die Historiker, ob das der Ebro südlich der Pyrenäen war. Als Hannibal dann 219 v.u.Z. Sagunt belagerte, das südlich des Ebro liegt, wurde das dennoch zum Kriegs­an­lass, weil natürlich damals erst recht keiner wusste, ob er den Iber damit schon über­schritten hatte oder ob es gar eine spezielle Klausel für diese Stadt im heutigen Spanien im vorherigen Friedensvertrag gegeben hat.

Als sich Hannibal dann schon nach Überque­rung der Alpen (zweifelsfrei jenseits des Iber, wo immer er auch gewesen sein mag) weit im italienischen Hinterland befand, ihm der römische „cunctator“ (Zögerer) Fabius Maxi­mus jahrelang nur hinterhergezogen war und in Rom immer schon mal der Ruf erschallt war „Hanni­bal ante portas“, kam es 216 zur Schlacht bei Cannae, das am Hacken des italienischen Stie­fels in Apulien liegt und die Römer eine vernichtende Niederlage erlitten.

Dass Hannibal dann Rom nicht nahm, führen heutige Historiker auf sachliche Gründe zu­rück, die Legende und Joachim Fernau aber darauf, dass Hannibal ein Kulturmensch war und eine blühende Stadt, wie Rom nicht ver­nichten w o l l t e.

Die Römer hatten mächtig Massel vor Hanni­bal und erwiesen sich wenig später als viel weniger kulturell überprägt, als sich nämlich langsam das Kriegsglück wendete, sie sich des Kopfes des im Nachrücken begriffenen Hannibal-Bru­ders Hasbrubal bemächtigen konn­ten, dieses Haupt eigens bis in den Süden beför­der­ten, um es über Hannibals Pa­li­saden als Gastgeschenk zu werfen.

Man darf sich über Brutalität auf beiden Sei­ten keine Illusionen machen, aber auch diese ist in gewissem Sinne realtiv. Den Römern verdanken wir die Redekunst (Verdrehungs­kunst?), die Rechtssprechung (Geldverdien­ma­schine für Advokaten?), eine Kunst (Plagi­a­te von Vorgefundenem?) und eine Akten­lage, die sie ins Recht setzt und uns nicht mehr ermöglicht zu sagen, was wir Karthago hätten verdanken können.

©Christian Rempel www.gedichtladen.de
Im Waltersdorfe 6.11.2012