Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW37

Kurzfassung

 

Kurz vor seinem Tode sind im letzten Heft des Athenäums, der Zeitschrift der Frühromantiker, die Hymnen an die Nacht erschienen, wobei es sich ausnahmsweise nicht um ein Fragment handelte, sondern ein fertiges Werk, das als das entscheidende Zeugnis dieser Kunstepoche gilt. Um es dem Leser in einer Kurzfassung nahezubringen, der wir eine eigentümliche Form gegeben haben, wur­de eine Kurzfassung aus jeweils sechs Versen erstellt. Jeder zweite Vers enthält einen Binnenreim. Es soll auch eine Versfassung als Vorform gegeben haben, die uns aber nicht zugänglich war.

Best of: Hymnen an die Nacht

1.
Fremdling mit den tonreichen Lippen
liebest Du nicht das allerfreuliche Licht?
Des Lebens kurze Freuden stehen in grauen Kleidern
in Nebenräumen stellte das Licht auf: lustige Gezelte.
Weil die Nacht Dir abwendig macht die Dienenden
säest Du zu allen Zeiten leuchtende Kugeln in des Raumes Weiten.

2.
Geschäftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht
die zeitlos und raumlos legt des Lichtes Schranken bloß.
Schlaf – beglücke zu selten nicht der Nacht Geweihte
nichts von Dir wissen die Toren, die Du doch auch geboren.
Und sie wissen nicht, dass Du es bist
die des Mädchens Busen umschwebt, mir ihren Schoß entgegenhebt.

3.
Als ich kraftlos am Hügel stund, nur ein Gedanke des Elends
als nichts mehr ging, am fliehenden verlöschenden Leben hing.
Mit einem Male riss das Band – des Lichtes Fessel
Schlummer des Himmels kamst über mich, Nachbegeisterung hatte ich.
Über sich hebender Gegend schwebte mein entbundener Geist
Jahrtausende abwärts wie Ungewitter, ich im Glauben erzitter.

4.
Die kristallene Woge bricht am Grenzgebirge der Welt
wo ich oben stand und schaute des Lichtes Unruhland.
Das Irdische schwimmt oben auf, wird zurückgeführt
aber was durch Liebe heilig ward, rinnet jenseits auf geheime Art.
Mutter schickt, dass die Welt ewig angeschautes Denkmal werde
ich fühl Deiner Geschäftigkeit Ende, himmlische Freiheit, selige Bände.

5.
Des Meeres dunkle, grüne Tiefe war einer Göttin Schoß
Flüsse, Bäume, Blumen mit menschlichem Sinn sind mittendrin.
Nur ein entsetzliches Traumbild war noch, ein Gedanke nur
der Tod mit seinem Lustgelag Angst und Schmerz und Tränen vermag.
Entsiegelt ward das Geheimnis
den uralten Stein hoben himmlische Geister, befreiten den Tod – den Meister.

6. Sehnsucht nach dem Tode
Gelobt sei uns die ew’ge Nacht, gelobt sei uns der Schlummer
so kommen wir in engem Kahn geschwind am Himmelsufer an
Die Vorzeit, wo noch blütenreich uralte Stämme prangten
den frühen Tod in Liebesglut geweiht dem süßen Lebensmut.
Getrost die Abenddämmrung graut den Liebenden, Betrübten
Traum breche nun die Banden los, die banden der Geliebten Schoß.

C.R. nach Novalis 8.9.2012