Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW13

Pentesilea spricht:
„in seinem Blute da wälzt sich
Achilles von meiner Hand
stilles Gebete send ich
als er mich
mit brechendem Auge erkannt
 
mir wär es nicht anders ergangen
Blessuren hab ich genug
sonst wäre das Herz mir befangen
Verlangen
wie werde ich nur aus mir klug
 
es sind heute ja die Zeiten
wo Frauen das Los zugedacht
die Weltgeschicke zu leiten
Weiten
aus denen die Sonne uns lacht
auf’s Holz aus dem wir gemacht“


An Kleist denkt jetzt keiner mehr und allüberall ist Frühlingserwachen. Die Sonne kann es nicht mehr besser mit uns meinen, die Forsythia blühen und allerorten zeigen sich die ersten grünen Spitzen.
Wie kann dies die Zeit sein, sich mit den herben Seiten der Liebe zu beschäftigen, wenn doch der Weltuntergang erst für kurz vor Weihnachten angesagt ist?
Das sind die Zufälle der Literatur, durch die wir uns auf den Rat von Bekannten beiderlei Geschlechts hindurcharbeiten und wo uns doch gerade diese blutrünstige Seite der Liebe ins Auge sprang, das wir in den Grundzügen, dem nunmehr wieder vergessenen Kleist verdanken, der diesen antiken Geschlechterkampf zugunsten der weiblichen Seite ausgehen ließ.
Es war dies die Kreutzersonate von Tolstoi und der Gegenroman seiner Frau und Hesses Narziss und Goldmund, die beide die lebensinhaltgebende und lebensver­nich­tende Rolle des Geschlechtlichen zum Inhalt haben.
Der Frühling ist allgemein die Zeit des Auf­bruchs, Feldzüge werden geplant, Reiselust geweckt, mach Blümchen am Wege Beachtung gezollt.
Mir begegnete eine, die, offenbar vom Schicksal niedergerungen, nicht mehr ohne Allgemeinplätze auskommt, man die Vermessenheit nicht wagt, sie ein wenig zu bedauern.
Mir begegnete eine, die der Worte umso mehr hat, die eine größere schriftliche Be­red­samkeit hat, als ich es vermag. Und sie macht Sehnsucht, größere Sehnsucht nach emails.
Ich bin bei einer, die sich sehr auf den Frühling gefreut hat und nun fast krank ist von meiner Schwermut, die aber nichts weiter sagt, kocht und werkelt und wartet.
Welch Glück ist es, unter so vielen Frauen zu sein und zu vergessen, dass jede auch eine Pentesilea ist, man selber Achill.
Welch kleines Glück ist es, wenn man nach dem Winter die Pumpe wieder aus dem Keller holt, sie unter leichten Mühen wieder montiert, sie auf Anhieb dicht ist, sich munter dreht, den Druckpunkt nicht verfehlt und wieder eine kleine Sache im Lot ist. Dass man das kleine Glück hat, ist was wirklich zählt.

im Waltersdorfe 25.3.2012