Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW42

Einfach süß – meine Stasiakte

 

Es war bereits im Sommer 1979, als ich die „schöne Anschela“, die heute jeder als Bun­des­kanzlerin kennt, im fernen Donezk erleb­te. Die STASI hatte also nicht unter unserem als zufrieden befundenen Ehebett gelegen, sonst hätte sie die Verwerflichkeit meiner Per­­son bemerkt, dass ich dort nicht treu war.
Viel hatten sie an dem jungen Genossen, der ich war, nicht auszusetzen, außer dass man im Wohngebiet nichts davon merkte, dass ich Parteimitglied war. Ich habe mich ja auch mehr für die Arbeit engagiert. Allerdings sei „eine gewisse Naivität in der Einschätzung von Menschen bei Dr. R. nicht zu übersehen. Der GMS schätzt ein, dass er in dieser Hin­sicht eine vertrauenselige Haltung bezieht.“
Dann gab es noch 1985 zu mäkeln, dass „er stän­dig gefördert wird, ohne gefordert zu wer­den, brauchte noch keine Widerstände und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen, das haben andere für ihn getan. Echte Be­wäh­­rungssituationen hatte er bisher nicht zu be­stehen und das könnte sich … eines Tages negativ auswirken.“
Die „Feuertaufe“ war dann ein Konferenzauf­ent­halt in Dalles (Texas) im November 1985, wo ich von einer illustren Gestalt der LASER Szene, Dr. Rolf Gross, zu einer Tagung ein­geladen wurde. Dieser amerikanische Wis­senschaftler beschäftigte sich mit chemi­schen LASERn und hatte viele Ostkontakte, war sogar einmal in der Sowjetunion auf der Reise von Novosibirsk nach Tomsk für 14 Tage unauffindbar verschwunden. Wie man weiß, war das ein Unding, doch vielleicht hatte er da nur eine sibirische Liebschaft?
Wachsam war die STASI wirklich, und so schätzte man ein, dass „die Persönlichkeit der Dr. R. und seine vorgesehene Perspektive in der Akademie der Wissenschaften der DDR für gegnerische Geheimdienste von Interesse ist.“ Da es sich bei ihm um einen „gutgläubi­gen Menschen handelt, der kaum jemandem etwas schlechtes zutrauen würde – sehr naiv und etwas einfältig“, hätte doch so leicht et­was passieren können.
Ich erfuhr auch aus meiner Akte, dass mein Förderer in Göttingen Professor Fritz Schäfer dieses Jahr im Januar 80 geworden ist. Hätte man nicht zwei Jahre gebraucht, um das Unverfängliche aus meiner Akte für mich zusammenzusuchen, hätte ich noch recht­zeitig mit einem Geburtstagsgedicht aufwar­ten können. Also dann auf diesem Wege nach­träglich beste Wünsche!
Etwas knurrig musste man allerdings auf meine steile und ebenso abrupt beendete Perteikarriere im Jahre 1989 reagieren. Da begann der Dr. R. doch seine politische Tä­tigkeit mit der Organisation einer Demon­stration zu „Erneuerung der Partei“ und vermaß sich auch noch, das als erste Parteiaktion zu deklarieren. Am 7.11.89 sandte er 50 Delegierte zu Berliner Großbe­trie­ben (das war die Aktion: „Partei an die Werktore“) und erhielt Zusagen vom Funk­werk Köpenick, Steremat und KWO (alles Fremdworte heute, wo die Industrie tot ist). „Rempel umgeht bewusst die gewählten Funktionäre der Kreisleitung und propagiert Basisaktionen“ (richtig). „Es entstand allge­mein der Eindruck, dass Rempel sich mit die­ser Demonstration als Funktionär profilieren will.“ (falsch)
Soweit also die Brosamen, die vom Tisch der feindlichen Geheimdienste mir gegen mäßi­ges Entgelt in den Schoß fielen, denn eigent­lich hatte ich dazu schon gar keine Lust mehr und wollte die Vergangenheit verdienter Ru­he überlassen.

 

Die Akten von dem BND
kann man nur ahnen, weh oh weh.
Ob sie einen wohl – auch so wohl betrachten
knapp, effizient und dennoch falsch obachten.
Ob diese Zeilen wohl gestellt,
ob mein Persönchen wohl gefällt?
Man wird sehen, wenn die Zeit heran.

 

Im Waltersdorfe 10.10.2011