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Kolumne KW41 „Spurensuche“

Spurensuche

 

Man kennt nicht einmal das Aussehen von Thomas Müntzer, so dass ihm der Maler Werner Tübke in seinem grandiosen Panoramabild „Frühbür­ger­liche Revolution in Deutschland“ seine eigenen Züge verleihen konnte. Immerhin muss den Maler der Prediger stark beeindruckt haben, denn er kommt auf dem Rundgemälde gleich zweimal vor, einmal im Kreise einer Gemeinde und einmal mit gesenkter Bundschuhfahne auf dem Schlachtenberg, die unglücklicherweise am 25. Mai 1525 stattfand, den Aufständischen erst ein Regenbogen erschien und dann eine Sonnenhalo, so dass sie glaubten gegen die Landsknechte eine Chance zu haben.


Ein knappes Jahr vorher als Pfarrer in Allstedt hatte Müntzer es noch bei den Landesherren versucht, ihnen zu predigen, sicher in der Hoffnung, sie überzeugen zu können. Das Auditorium bestand aus Johann dem Beständigen, der mit Kurfürst Friedrich dem Weisen das Land regierte und Johanns Sohn, dem etwa 20-jährigen Kurprinzen, der später als Hanfried in die Geschichte einging, d.h. so wurde er im Volk genannt, eine etwas offiziellere Bezeichnung war Johann Friedrich der Großmü­tige. Beide waren Lutheraner, wie auch Friedrich der Weise, der bei der Fürstenpredigt nicht anwesend war, der allerdings selbst Luther nie per­sön­lich vorsprechen ließ und nur immer seine schützende Hand über ihn hielt, als dieser zum Beispiel zum Wormser Reichstag einbestellt wurde, woraufhin über Luther die Reichsacht verhängt worden war und ihn Friedrich der Weise in Schutzhaft nehmen ließ auf der Wartburg, als den Junker Jörg. Auch eine Einbestellung zum Papst nach Rom wusste Friedrich zu verhindern, denn diese hätte gut und gern auf dem Scheiter­haufen enden können.

Friedrich der Weise hatte Wittenberg als Residenz ausgebaut und 1502 die dortige Universität gegründet, die bald eine herausragende Rolle in Deutschland spielte. Er hat viele Geistesgrößen und Künstler nach Wittenberg geholt, wie Lucas Cranach und Melanchton. Er war ein Verfechter dezentraler Gewalten und als man ihm die Kaiserwürde antrug, lehnte er ab. Selbst in der Bauernfrage war er auf Ausgleich bedacht und wollte gern, dass deren Forderungen nachgegeben werde. Allerdings war Friedrich der Weise andererseits auch praktizierender Katholik und passio­nierter Reliquiensammler. Thomas Müntzer wird er aller Wahrschein­lichkeit nach gar nicht gekannt haben.

Dieser hatte natürlich wenig Glück bei seinen beiden Zuhörern von Rang in Alllstedt und musste sich dann zunächst auf die Flucht nach Süddeutschland begeben.

Als er dann zurückkehrte und es zu der Schlacht bei Frankenhausen kam, hatte er zu allem Pech auch noch das, dass Friedrich der Weise gerade zehn Tage davor gestorben war und nun Johann der Beständige allein regierte, der ja ein viel engeres Verhältnis zu Luther hatte. Und der hatte gerade eine Brandschrift gegen die Bauern fertig. Zwar war Johann der Be­ständige gar nicht in das Gemetzel am später so benannten Schlachtenberg beteiligt, aber Fürsprecher unter den Fürsten hatte Müntzer keine. Es dauerte auch nur noch ein halbes Jahr und dann war es mit der frühbürgerlichen Revolution vorbei, ohne dass auch nur eines der Ziele erreicht war.

Müntzer war gewaltsam zu Tode gebracht und Luther schwenkte auf eine herrschaftsgerechte Variante der Reformation ein.

Christian Rempel im Kyffhäuser, den 10.10.2015