Der Gedichtladen

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Kolumne KW30 „Ganz anders als gedacht“

Ganz anders als gedacht

 

Wir waren nun am nordöstlichen Ende des Harzes, im malerischen Ilsenburg, das wie einige andere Orte in Ost und West etwa 12 km vom Brocken entfernt ist. Auf den Brocken kommt man ja sehr bequem mit der Harzbahn, aber wenn man zu einigen Leuten ist, ist es eine ganz schöne Investition, dort hinauf oder herunter zu fahren. Bei unserem ersten Versuch, bei dem wir das Ilsetal erkundeten, kam plötzlich ein Bus mitten im Wald und wir dachten nicht anders, als dass er uns etwas näher an den Brocken bringen könnte. Als wir aber ausstiegen, stand an den Wegweisern wieder die magische Entfernung von 12 km.


Dann überraschte uns noch leichter Regen und mit der Moral der leicht bekleideten Mädelstruppe war es vorbei, so dass sie nach Schierke abbiegen wollten und mit der Bahn herunterfahren. Mit einem Mal schien aber wieder die Sonne und sie folgten mir dann doch auf dem nicht enden wollenden Aufstieg. Mit der Zeit hatten die Wegweiser es aufgegeben, den Brocken anzuzeigen und wir sahen ihn nur ganz nah aus dem Nebel auftauchen. Vielleicht wären es noch drei Kilometer gewesen, aber wir gaben auf.

Dann galt es erst einmal die Städte zu erkunden, die ja im Wesentlichen aus Läden bestehen. Da geriet die Damenwelt erst einmal ins Einkaufs­fieber, von der kleinsten mit sieben Jahren angefangen bis hin zur angehenden Jubilarin, deren Geburtstag ja die eigentliche Idee zu der Reise war.

Nach Wernigerode nahmen wir noch den verblichenen Glanz von Thale an der Bode wahr, wo wir uns auf dem Hexentanzplatz vom Kommerz schier erschlagen fühlten. Als meine Mädels die teils geschlossenen Läden besichtigten, ging ich ins Hüttenmuseum, und das wurde zu einem eindrucksvollen Erlebnis. Hier war die DDR Geschichte noch eine Erfolgsgeschichte und erst die Wende brachte das Aus für die siebentausend Mitarbeiter, die ihr eigenes Werk noch schleifen durften und nun in die Röhre gucken, wenn sie nicht einen der noch verbliebenen 350 Arbeitsplätze im Thaletech Betrieb ergattern konnten.

Dann sagte ich mir, was der noch nicht ganz dreißigjährige Heine 1824 geschafft hatte, müsste mir doch auch noch gegeben sein, von Ilsenburg aus auf den Brocken zu wandern. Also habe ich es am Freitag noch einmal mit den magischen 12 km aufgenommen und war nach vier Stunden oben. Auf dem ganzen berühmten Heineweg traf ich nur einen einzigen Menschen. Erst auf dem Rückweg gegen drei, kamen mir einige entgegen, dass man sich fragen konnte, ob die auch noch auf den Brocken wollen zu so später Stunde.

Auf der Rückreise haben wir dann einen ziemlichen Umweg über den Kyffhäuser gemacht und haben uns das monumentale Werk Werner Tübkes angesehen, das er der Schlacht von Bad Frankenhausen gewidmet hat. Dieses Werk ist so vielgestaltig, dass man Stunden mit seiner Betrachtung verbringen könnte und ich musste es einfach mal sehen, weil mir Tübke schon immer der liebste Maler schon zu DDR Zeiten gewesen war. Müntzer kommt gleich zweimal vor und einmal hat der die Züge des Meisters selbst, ein anderes Mal predigt er unter Bauern.

Professor Tübke ist ja schon 2004 verstorben, konnte aber noch erleben, dass sein Werk Aufnahme fand in den Kanon deutscher Kunst. Das Panoramamuseum in Bad Franken­hausen ist gut besucht, bedarf aber sicher trotzdem einer finanziellen Unterstützung durch das Land und den Bund, die dem Projekt auch zu Teil wurde.

Christian Rempel im Waltersdorfe, den 26.7.2015