Der Gedichtladen

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Kolumne KW26 „Privates, sehr Privates“

Privates, sehr Privates

 

Eine eins ist doch immer sehr erfreulich, auch wenn es bei schärfster Auflösung eine 1,3 ist. Dieses Ergebnis erreichte meine dritte Tochter im schwierigen Fach der Kunst, wo man es bei der Prüfung mit nicht weniger als vier Professoren gleichzeitig zu tun bekommt, die sich auch recht Mühe geben je ein mehrseitiges Gutachten von sich zu geben, also selbst auch einiges an Arbeit investieren. Dem Vernehmen nach soll das aber der Vergangenheit angehören, abgeschafft werden, wie alles, was zu viel Arbeit macht.


Meine vierte Tochter soll die meisten Prüfungen auch mit einer Eins bestanden haben und sich jetzt, neben einer noch wichtigeren Liebe, ihrer Examensarbeit widmen. Das alles erfährt man aber nicht von ihr selbst, sondern ist auf Quellen angewiesen, die ihr näher zu liegen scheinen. Es entbehrt nicht einer gewissen Peinlichkeit, sich dieser bedienen zu müssen, da man doch selbst, zwar oft mit einem Professor verwechselt, ganz unten auf der Prioritätenliste steht, wie einem bedeutet wird, wenn man diesen Informationsmangel moniert.

Der Sohn sieht sich seiner Menschenwürde beraubt, wenn er mal etwas helfen soll, tut vorsorglich seine Ablehnung kund, um danach mitzuteilen, dass er gefragt werden möchte, wenn ein solches Ansinnen an ihn herangetragen wird, nimmt um seiner Menschenwürde willen einen Tag Computer­absti­nenz auf sich, um sich dann wieder umso gründlicher in diese Beschäftigung zurückzuziehen.

Unser Gastschüler sieht amüsiert zu, wie ich den gesamten Einkauf am Auto allein in den Taschen verstaue, und als ich damit fertig bin, spendet er einen ironisierten Applaus, was ich doch für ein Idiot bin. Beim Ausladen greift er sich ein fluffiges Toastbrot und ein Beutelchen Kartoffeln und will unter Zurücklassung der beträchtlich schweren Einkaufstasche nach oben gehen. Ich weiß das gerade noch zu verhindern, wobei es wiederum nicht ganz ohne Schmälerung des Menschenrechts auf ein möglichst faules Dasein abgeht. Am darauffolgenden Tag, so stellt er sich vor, wird ihn dieser Idiot auch noch nach Dresden kutschieren, doch da Faulenzer gern lang schlafen, ist es leicht das eben mal ausfallen zu lassen.

Man könnte das als eine große Sehnsucht auffassen, einer Sehnsucht nach Autorität, und man könnte es diesen Fasterwachsenen leicht machen und sich eine Abreibung wegen ausgespielter Autorität einfangen, aber so idiotisch sind wir wieder nicht, dass wir dieser ihrer Sehnsucht nachgeben würden, denn hinter dieser oberflächlichen Sehnsucht steht die nach Eklat, nach Zerstörung von allem außer sich selbst, denn das Ego wird behütet, da wird weder geraucht noch gesoffen oder gar gekifft.

Es gibt immer zwei Wege, diesen Erscheinungen zu begegnen, den der Energie und den der Diplomatie. Da man es aber mit Energielosen zu tun hat, scheidet der erste Weg aus, will man nicht zu einem aussichtslosen Animateur werden. Anderer­seits weiß man, dass Diplomatie in der Erziehung schon zu gar nichts führt. Wie man sich in den letzten hundert Jahren in der Politik an zwei Wegen abgearbeitet hat, dann schließlich auf einen sog. dritten Weg kam, der sich ebenfalls als Luftnummer erwiesen hat, wollen wir den dritten Weg der Erziehung kurz nennen und sogleich wieder verwerfen. Das wäre nämlich das gute Vorbild ohne Aussicht oder Rücksicht auf dessen Wirkung.

Intellektuell bewältigt ist dies, indem man bemerkt, dass man einer untergehenden Kultur angehört. Mental, indem man sich unbeschadet dieser Erkenntnis auf die eigene Vervollkommnung oder eines Gegenstandes konzentriert. Genau das machen uns Bastler, Hobbygärtner und manche Künstler vor, doch ob daraus je wieder eine Gesellschaft, gar eine gesellschaftliche Blüte erstehen könnte, kann man nur von Selbsthei­lungskräften erwarten, die wer weiß woher kommen könnten. Jedem, der über diese Gabe verfügt, liege ich zu Füßen.

Wenn es nicht zu privat, zu sehr privat, wäre, könnte man noch die Frage beantworten, ob und wem ich zu Füßen liege. Zudem ist das gegenseitige Interesse, die Neugier so gering, dass dies müßig wäre. Soll sich doch jeder selbst befragen, ob er dies gefunden hat oder nicht.

Christian Rempel,
Im Waltersdorfe 29.6.2013