Der Gedichtladen

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Kolumne KW12 „Armes Deutschland“

Armes Deutschland

 

Nachdem mir ein paar Hinweise zu meinem Venustransitaufsatz noch knappe zwei Wochen intensivste Arbeit beschert hatten, ist es mir gerade so gelungen bis zum Dienstagnachmittag die entsprechende Präsentation fertigzustellen und diese auf den Tagungsserver hochzuladen. Dann ging es schon am Mittwochmorgen gen Frankfurt am Main, um den Vortrag zu halten und auch ein bisschen zu sehen, was sich ansonsten noch an Eindrücken bietet.

Das Unternehmen stellte sich als gar nicht so einfach heraus, denn Google Maps hatte mit der Adresse offenbar nichts Rechtes anzufangen gewusst und geleitete mich zu dem alten Unicampus, den man zu Fuß vom Hauptbahnhof kommend noch ganz gut erreichen kann, aber da wusste man nichts von einer Physikertagung. Da musste ich mich also weiter auf Schusters Rappen begeben und sehen, was die Goethe-Uni sonst noch an Niederlassung in Frankfurt hat, und als ich den neueren Campus dann erreicht hatte, musste man schon mal den Pförtner fragen, ob denn hier so etwas wie die Frühjahrstagung der Physiker sei.

Endlich am Gebäude angekommen, war zunächst kein Tagungsbüro zu finden. Das hatte man in den dritten Stock verfrachtet, was nun nicht gerade übliche Praxis ist. Da die Ausschilderung auch sehr dürftig war, erkundigte ich mich gleich im Tagungsbüro nach dem Vortragsraum, dem sog. Casino. Das sei gleich im Gebäude gegenüber, an der komischen Figur vorbei, die wohl ein Kunstwerk sein sollte, ein aus ausge­schnittenen Buchstaben bestehender Mensch. Dieses Gebäude stellte sich dann aber als eine gewöhnliche Mensa heraus und von Vorträgen war nichts zu sehen. Also noch einmal zurück und eine andere Dame gefragt, wo denn nun dieses Casino sei. Da müsse ich an dieser Mensa vorbei in das nächste Gebäude gehen. Also noch einmal über den Platz und um die Mensa herum. Dort fanden sich wieder rudimentäre Wegweiser mit Zahlen, die aber nicht mit der Bezeichnung des Vortragsaals überein­stimmten. Also auch noch dieses Gebäude auf gut Glück durchforstet und dann fand ich endlich die etwa dreißig Physikdidaktiker, deren Sitzung schon begonnen hatte.

Immerhin bekam ich noch einige Vorträge mit, in denen sich engagierte Lehrer um die Vermittlung der schwierigsten Zusammen­hänge bemühten, wie die globale Erwärmung in praktischen Aufbauten nachzustellen, Sciencefiction Literatur auf ihren physikalischen Gehalt abzuklopfen und die Ausdehnung des Universums praktisch erlebbar zu machen.

Besonders letzteres, dargestellt durch einen Lehrer aus Stade bei Hamburg, Hans-Otto Carmesin, war sehr beeindruckend und deprimierend zugleich. Er hat mit Schülern Galaxien in einem Sternguckerprogramm (Stellarium) auf ihre Helligkeit untersucht, wozu ein Handy App verwendet wurde und schloss daraus auf deren Abstand. Die Geschwindigkeit dieser Galaxien kann über deren spektrale Emission ermittelt werden und mit einer sog. Spektralbrille sichtbar gemacht werden. Die tolle Idee dieses Lehrers bestand nun darin, in einem Planetarium die Galaxien zusätzlich zu den anderen kosmischen Objekten zu projizieren und den Zuschauern das Erlebnis zu verschaffen, dass sie selbst mit Hilfe der Spektralbrillen, die ein Centartikel sind, die Geschwindigkeit zu ermitteln, die bekanntlich um so größer ist, je weiter die Galaxien von uns entfernt sind. Da man aber immer über fast keine materiellen Mittel verfügt, wurde daraus eine Holzkiste, die etwas erbarmungswürdig aussah.

Es sollte nun eigentlich in dem Land, wo Zeiss beheimatet ist und die Planetarien gebaut werden, möglich sein, ein solch geniales Feature professionell zu integrieren, wozu ich Herrn Carmesin in einem Pausengespräch glaubte alle Hoffnungen machen zu können. Ich bot ihm an, meine Zeiss Verbindungen spielen zu lassen, die nun allerdings das deprimierende Ergebnis brachten, dass ich nicht mal eine Antwort erhielt.

Was ist nur los in diesem Land, oder achtet man gar nicht mehr aufeinander?

Christian Rempel im Waltersdorfe
23.3.2014