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Kolumne KW04 „Rückkehr zu Kepler?“

Rückkehr zu Kepler?

 

Wer aufmerksam unserer Internetseite folgt, dem wird nicht entgangen sein, dass wir einige Tage vom Netz waren. Das war nicht unser Verschulden oder des Providers, sondern Folge eines Hackerangriffs. Sollten wir schon so wichtig geworden sein, dass sich solche Aktivitäten verlohnen?


Gelten vielleicht sogar die Goetheworte?:

Mit fremden Menschen nimmt man sich zusammen
da merkt man auf, da sucht man seinen Zweck
in ihrer Gunst, damit sie nutzen sollen;
allein bei Freunden lässt man frei sich gehen,
man ruht in ihrer Liebe, man erlaubt
sich eine Laune, ungezähmter wirkt
die Leidenschaft, und so verletzen wir
am ersten die, die wir am zärtsten lieben

Es wird uns doch nicht einer zärtstens lieben?

Sollten wir also das Leben hassen, in Wüsten fliehn, weil …

Mindestens sollten wir uns wohl vierhundert Jahre zurückbegeben in die Welt der Giganten, auf deren Schultern Newton stand. Da waren Galilei, Descartes und Kepler, von denen uns der Dritte am nächsten ist, zumal er auch ein Deutscher und eine der rätsel­haftesten Gestalten in der Geschichte der Naturwissenschaften ist.

Wird es uns verstattet sein, den 1571 in Weil der Stadt geborenen Astronomen in seinem Tun zu begleiten? Der Sohn war eines Soldaten und einer der Hexerei angeklagten Mutter, der kurzsichtig, neurotisch und hypochondrisch war. Der mit seinem Mysterium Cosmographicum so daneben lag, dass er trotz der Schwärmerei für das Walten Gottes selbst nicht ganz daran glauben konnte, dass die Planetenbahnen gerade den fünf platonischen Körpern einbeschrieben sind bzw. deren äußerste Radien umfassen.
Sein Schicksal war auf das Engste mit einem anderen Astronomen verbunden, nämlich mit Tycho Brahe, der zu seiner Zeit die genauesten Daten der Planetenpositionen ermittelt hatte. Kurz vor Tychos Tod trat Kepler in dessen Dienste und wurde beauftragt, den „Marskrieg“ zu führen, den Kepler als Blitzkrieg in einer Woche zu führen gedachte, der ihn aber dann fünf Jahre Lebenszeit kostete.

Nach vielen erfolglosen Versuchen, die Marsbewegungen zu beschreiben, wobei er zunächst bei den Kreisen blieb, die man als das Höchste der Schöpfung ansah, musste er doch zu Ellipsen greifen, die ja ein Kegelschnitt sind.

Ein Kegel entsteht, wenn man einen Kreis mit einer Geraden verheiratet, die seine Man­tellinie bildet, und die Gerade wird ja als etwas Profanes angesehen. Wie aber, wenn sich Gott mit seinen göttlichen Kreisen, um das Universum zu schaffen, mit dem Profanen verschwistern musste, nämlich mit dem Materiellen. Es handelt sich bei den Planetenbahnen auch nur um geringe Abweichungen von einem idealen Kreis, auch wenn es bei Kometen zum Beispiel dennoch extrem langgestreckte Ellipsen geben kann.

Wie aber, wenn auch die Magier, die von der römisch-katholischen Kirche noch nachhalti­ger bekämpft wurden als die Naturwissen­schaftler, auch recht hatten. Wenn also, wie Giordano Bruno meinte, die Sterne riesenhafte Tiere sind, wenn unsere Erde Leben hätte, wenn alles bis ins Kleinste beseelt wäre?

Manch einer, der sich auch heute getrost mit seinen Zimmerpflanzen unterhält, neigt trotzdem nicht zu so wahnwitzigen Hypothesen, zumal sie in unserem heutigen technikbestimmten Leben keinerlei Bedeutung mehr haben, aber vielleicht hatte ja selbst der gottesfürchtige Kepler einen Schuss Hexenblut mütterlicherseits.

Wir tun gut daran, uns weder vor Wahnwitz noch vor diesen Blutstropfen noch zu fürchten. Und wen sollten wir befragen? Einzig die Kunst kann hier Aufschluss geben.

Christian Rempel,
Im Waltersdorfe 26.1.2013