Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW 31 2017 „Träume“

Träume 

Wenn man aufhöre zu träumen, würde sich das Leben fürderhin gar nicht mehr lohnen, wissen uns Weltweise zu raten, dabei hat man das gar nicht in der Hand, wenn nicht von Träumen in einem übertragenem Sinne gesprochen wird, dass man eben seiner Phantasie mal die Zügel schießen lässt oder sich in stiller Andacht in Begebenheiten hi­nein­träumt, die des Realitäts­sinnes entbehren.

Die wirklichen Träume dagegen hat man wenig in seiner Gewalt, sie ereignen sich manchmal in Bergesregionen, wo die Gesteins­massen nächtens leicht ins Gemüt strahlen können, vielleicht auch in Wüsten, deren Erfahrung wir noch nicht gemacht haben, aber sicher auch an den Gestaden des Meeres, wo unter einem nichts mehr als Sand ist und über einem, über dünner Zeltbahn, sich ungeahnte Gestirne wölben.

Gerade an der Ostsee ist es mir schon widerfahren, dass ich gegen Ende eines Urlaubs filmreife Träume hatte, die so eindringlich und bewahrenswert waren, dass ich manchmal in aller Frühe aufstand und sie zu Papier brachte, ohne dass allerdings aus dem Filmprojekt je etwas geworden wäre. Nichts drängt mich in meinem Fall mehr, als diese Träume, die ja vielleicht zum Privatesten zählen, einer Sphäre, die man nicht ungestraft preisgeben kann, dann doch mitzuteilen, denn mit der Deutung soll es die Bewandtnis haben, dass man sie nicht selbst vornehmen könne, sondern sich auf das Urteil Außenstehender verlassen muss.

Der Juli bescherte mir vier solcher Träume, von denen ich den ersten einer Anzahl zur Kenntnis gab und es auch lebhafte Reaktionen darauf gab, genau wie auch Kundgebungen derart, dass Träume ein Faktum darstellten, über das man nicht diskutieren könne. Der zweite und dritte waren von der Art, dass mir selbst deren Unstatthaftigkeit lebhaft vor Augen stand und es nur zweien zudachte, und es war eine gelassene Reaktion zu verzeichnen und eine Einstufung als harter Tobak. Der vierte Traum nun hat das Schicksal, dass ihn gar keiner mehr zu Kenntnis nehmen möchte, und heute fand ich bei Thomas Mann eine Stelle, die das erklärt:
Denn es ist falsch, den Traum für ein Wild- und Freigebiet zu erachten, worin das tags Verpönte zu wuchernder Schadloshaltung sich beliebig hervortun dürfte.
Thomas Mann, Joseph Bd. 2 S. 353
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Urlaub und statthafte Träume.

Christian Rempel auf Rügen, den 6.8.2017