Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Fünfter Traum

Fünfter Traum 

Es ist ein stürmischer Morgen. Er geht raus eine rauchen und bringt sich damit in Lebensgefahr. Der Computer in seinem Zimmerchen, in dem noch das gestrige Experiment der Gedankenübertragung herumliegt und andere Bastelsachen, ist noch an. Er will eine Nachricht schreiben, aber der Telefonakku ist angeblich fast leer. Er entfernt das Ladekabel vom Versuchsaufbau und schließt es mit Mühe an das Handy an. Das zeigt eine Batterie mit Pfeil, also würde er nicht so schnell an seine Freundin schreiben können. Immerhin geht Word, und er beginnt zu schreiben.
Da klingelt es und ein freundlicher LKW Fahrer steht an der Tür. Sauwetter heute, tut mir leid, das hätte nicht passieren dürfen, ihr Auto. Er nimmt eine Taschenlampe und sie gehen zur Straße, wo der Oktavia steht. Er leuchtet am Auto entlang. Eine weitere Schramme also. Nein … die war schon. Die Scheibe hinten rechts ist es. Die war nicht ganz geschlossen und jetzt hat sie zwei Sprünge. Der Sohn kommt hinzu, fasst an der Scheibe an und der eine Sprung bewegt sich ein bisschen weiter. Lass das, sagt er, Du machst es nur noch schlimmer, noch hält sie. Das kann man doch bestimmt reparieren, ohne gleich die Scheibe erneuern zu müssen. Klar, Carglas.
Wenig später sitzen sie beim Frühstück. Seine Frau kommt verschlafen an. Zu ihm, nun, schon wach? Der Sturm lässt mich nicht schlafen und außerdem, das Auto. Was? Zwei Sprünge in der Scheibe? Da gibt es doch Carglas. Er, na wo ist denn das? Sie, ruf doch mal Marianne an, die hatte letztens auch einen Glasschaden. Gesagt, getan. Marianne, das ist ganz in Berlin, Du musst durchs Zentrum über den Prenzelberg, da isses. Nach Berlin? Wie ungern. Danke. Was machen die denn überhaupt in solch einem Fall. Sie bekleben die beiden Seiten mit Folie, wenn Du willst getönt. Das könnte dem Tuning meines Wagens gar nicht schlechttun. Da lasse ich beide hinteren und die Heckscheibe machen. Da, wo so schön Gedichtladen draufsteht? Das leuchtet dann nicht mehr so, wenn die Folie drüber ist. Macht nichts, es ist sowieso nur noch die Feder übrig und außerdem kommt es auf die inneren Werte an.
Jane, die Tochter kommt in die Küche. Was, Du willst in die Stadt fahren? Sie, w i r wollen in die Stadt fahren, denn ich komme mit. Unser Idefix hat ja einen kleinen Schaden. Wie lange war ich schon nicht mehr shoppen. Haben wir also eine Menage a trois. Er, Du brauchst doch bloß bis Adlershof, da könnte ich mich auch mal erkundigen. Jane, na dann los, ich muss um acht da sein.
Adlershof. Cafeteria. Er allein am Tisch. Einer kommt hinzu. Einer, na wie geht’s als Privatier? Gut, nur das Auto, eine Scheibe hat zwei Sprünge und wir sollen nach WB. Einer, das macht man doch mit beidseitiger Folie. Das kannst Du auch hier machen lassen. Das kann doch Kubik. Der aus dem Bereich T? Der hat schon immer so sauber gearbeitet, das muss man doch dafür, oder? Wo kann ich ihn finden? Na da, wo der Technikbereich immer war. Er sucht, kann Kubik aber nicht finden. Kommt zurück. Sie sitzt jetzt beim Latte, wo schwirrst Du denn rum. Dachte, ich könne das hier lösen, wird sich ja irgendwie rauskriegen lassen, wo der Kubik ist. Sie, da müssen wir also doch weiter, hier kann man ja auch nicht so richtig shoppen. Er, einen kleinen Spaziergang könnten wir auch machen, ich werde mal am Brandenburger Tor halten und wir gucken uns den Reichstag an. Sie fahren hin, da ist eine Schranke und sie fahren einfach durch, stellen das Auto ab. Sie sind selten hier, ist alles nur für die Touris. Der Mann an der Schranke im Häuschen schimpft. Sie machen den Spaziergang, als sie zurückkommen, sehen sie folgendes: Ein zweiter schicker PKW zieht zur Seite von ihrem. Der Oktavia startet. Das zweite Auto fährt los und der Oktavia immer daneben her. Sie nehmen ein Taxi und verfolgen den Räuber und ihr Auto, die bald in ein Parkhaus einschwenken, der Oktavia jetzt knapp hinter dem Räuberauto.
Sie betreten das Parkhaus und suchen. Er, komm wir zeigen uns selbst an. Sie, wie? Wir zeigen uns an und weichen hier nicht eher von der Stelle, als dass wir unseren Idefix wiederhaben. Sie begegnen Alca Cabrio, dem Räuber. Wir suchen unseren Wagen und wollen uns selbst anzeigen. Grinsen, na dann hier entlang. Sie betreten einen kleinen Raum der an eine Schifsskabine erinnert. In einem weißen Beutel hängt Idefix aufrecht. Darin stehen ein Bett und eine Couch. Sie betrachtet das Bett, das offenbar keine richtige Bettwäsche hat. Sie, hier wollen wir bleiben, bis das Verfahren beginnt? Er, die Kinder sind doch groß, das müssen wir durchstehen. Alca Cabrio kommt, na gefällts Ihnen hier? Er zu ihr, ich hätte das doch in Adlershof machen lassen sollen, dann hätten wir den Ärger nicht. Cabrio, Sie können sich frei bewegen. Er, wollen Sie nicht erklären, was das ist? Das ist fast autonomes fahren und sehr einfach. Fast alles in Ihrem Auto ist automatisch und hat diese Blue Tooth Schnittstelle, Sie erinnern sich vielleicht an den dänischen König Harald Blauzahn mit den Initialen HB. Ihr Wagen hat den sinnigen Code 0000. Da wählt man sich ein und ab die Post. Na toll, es gibt aber noch den Rechtsweg, wir werden hier nicht weichen. Das ist ein öffentliches Parkhaus, wenn Sie wollen, bleiben Sie. Ich mach erst einen Spaziergang, sagt er, Du kannst ja mal in der Galerie Laffayette vorbeischauen. Sie, klar Schatz, Hauptsache mal raus aus diesem Loch. Es ist jetzt ungefähr Mittag. Er begegnet einer schönen Frau, Romina, mit Kopftuch und Burka. Er, sie haben unseren Idefix gekapert. Romina, das hört man jetzt öfter, aber man kann da rauskommen. Er umarmt sie. Nicht, mein Mann könnte uns sehen oder einer seiner Leute. Du musst es auf dem Rechtsweg versuchen. Er, das hatte ich auch vor, wir wollen uns selbst anzeigen. ? Romina, ich kenne einen guten Anwalt. Er, ich kenne noch was Besseres und lupft ihren Rock. Da kommt ein Auto heran, sie wendet sich verzweifelt von ihm weg. Er, wir wohnen im Parkhaus an der Dieckmannstraße. Gut, sie steigt ein und ist verschwunden. Er geht weiter. Seine Tochter stöbert in einem Bücherstand auf dem Bürgersteig. Er, ihr müsst ein paar Tage ohne uns auskommen. Kein Problem Papa. Er, lasst euch die Eiche nicht auf den Kopf fallen und vergesst das Frühstück nicht. Ja, Papa.
Er kommt zurück zum Parkhaus, sie auch. Da steht ein Zweisitzer, ebenfalls weiß. Cabrio kommt heran. Er, das ist mein Idefix. Cabrio, der war doch wohl ein bisschen größer, ich meine länger, das war doch ein Fünfsitzer. Er, man konnte ihn verstellen. Cabrio, von Stretch Limousinen habe ich schon gehört. Er, und meiner ist eben eine Shrink Limousine. Er zieht den Schlüssel aus der Tasche und der Wagen geht auf. Cabrio ist verschwunden und kommt kurz danach mit seinem BMW vorgefahren. Idefix setzt sich in Bewegung. Im Anfahren öffnet er die Motorhaube und überbrückt mit einem Schraubenschlüssel die Batterie. Zu ihr, setz Dich ans Steuer, Schatz, wenn wir drin sind, haben wir die Hoheit, da kann er nichts machen. Sie, das ist doch gar nicht unser Auto, das ist doch viel kürzer. Er, mach schon, mir wird es warm an den Händen. Nein, das ist nicht unser Idefix. Sie geben auf, und das Auto fährt davon.
Sie sind wieder in ihrer Kajüte. Das Auto hängt wieder in der weißen Plane aufrecht an seinem Platz. Sie, willst Du Dich nicht langsam mal um einen Anwalt bemühen? Es klopft. Herein kommt eine Frau in mittleren Jahren, sie ist die Freundin Emma von ihr. Hier steckt ihr also, sieht aus, wie auf einer Kreuzfahrt. Sie nuschelt. Er gibt ihr die Hand und zieht sie aufs Bett. Sie lacht. Er macht ihr die Zähne auseinander, die von einem Kaugummi verklebt sind und zieht ihr ein Thermometer aus dem Mund. Er, Fieber hast Du nicht, aber was willst Du damit? Sie, vielleicht ein Schwangerschaftstest. Emma, das sind nur die Wechseljahre, soll ich euch zu euerm Recht verhelfen? Sie, ja natürlich. Er, nein das ist nichts für Dich. Du stehst doch mehr auf Windmühlen, Standortgenehmigungen, Fördermittel und so was. Windräder heißen die Dinger und die Standorte sind Parks. Die sind doch wohl was gutes, ich backe jetzt auch kleinere Brötchen. Sie, etwas kleiner ist unser Idefix schon geworden. Er, davon verstehst Du nichts, es ist eben ein Shrink Car.
Es klopft erneut, ein Mann kommt herein. Guten Tag, Romina hat mir Ihren Kontakt gegeben. Sie sagte, Sie wollen sich selbst anzeigen. Sie, er will sich selbst anzeigen, ich nicht. Er, ja das ist richtig, sind Sie Anwalt? Ja mein Name ist Chestmir, Rechtsvertreter von Skoda. Angenehm, Rempel. Chestmir, wessen wollen Sie sich denn anklagen? Er, der Unbedarftheit. Chestmir, weil Sie einen fast automatischen Skoda gekauft haben. Er, nein, ich bin sehr zufrieden damit, nur Sie sehen da hängt er in diesem Sack und wir kriegen ihn nicht zurück. Alca Cabrio hat ihn sich gekapert, einfach eingeloggt und los. Chestmir, haben Sie denn das Blue Tooth Passwort nicht geändert? Er, nein es ist immer noch 0000. Chestmir, das ist wirklich leichtsinnig. Emma, vielleicht sollte man Sie als Hersteller verklagen, dass Sie solchem Leichtsinn Vorschub leisten und mit 0000 ausliefern, wo doch eh keiner weiß, wie man das ändern kann. Er, nein Emma, das habe ich mir zuzuschreiben, ich fühle mich gegenüber Skoda in der Pflicht. Sie, in der Pflicht? Schließlich sind wir geschätzte Kunden. Chestmir ignoriert beide, wo Sie doch nun schon den Schaden haben, wollen Sie dabei bleiben, sich selbst anzuklagen? Er, ja ich bleibe dabei. Chestmir, und wir sollen der Kläger sein? Das würde unserem Image schaden, wenn wir jeden Kunden verklagen wollten, der noch 0000 hat. Emma, das dürften ja auch fast alle sein. Er, ein bisschen Aufsehen wäre mir gar nicht unlieb. Sie, mir wäre es am liebsten, wenn wir dieses Theater beenden könnten und wieder nach Hause gingen. Emma zu Chestmir, Sie sagten doch, Sie kämen auf Empfehlung und jetzt stellen Sie sich an wie der erste Mensch. Ich als Anwältin … Chestmir, Sie sind eine Kollegin? Emma, ich als Anwältin würde mir so etwas nicht zweimal sagen lassen. Sie, aber auch erst, wo Du jetzt in den Wechseljahren bist. Als Du so jung warst, wie dieser Tscheche, hättest Du auch den Wald nicht vor Bäumen gesehen. Chestmir zu ihm, haben Sie einen besonderen Grund sich etwas von Publicity zu versprechen? Er, ich verspreche mir gar nichts von Publicity. Das überlasse ich gern Ihnen, wenn Sie Emmas Rat folgen wollen. Chestmir, was versprechen Sie sich dann? Sie, Gerechtigkeit, wie ich ihn kenne. Er, Du glaubst mich immer gut zu kennen. Emma, meines Erachtens will er Ihnen einen Gefallen erweisen, so vernarrt wie er in die Marke Skoda ist. Er, nein, eigentlich will ich nur meinen Idefix wiederhaben. Chestmir, na dann nehmen Sie ihn sich doch heraus und fahren Sie los, zeigt auf den Sack. Er, wenn das so einfach wäre, zwar ist es keine Stretch Limousine, ich hatte mich für einen Shrink entschieden, aber ich hänge daran. Chestmir, ich werde sehen, was ich für Sie tun kann, ab.
Draußen begegnet Chestmir Alca Cabrio. Cabrio, nun? Wollen Sie ihm wieder zu seinem Octavia verhelfen? Chestmir, auf alle Fälle, aber erst muss noch was geklärt werden. Cabrio, zwischen Rempel und Ihnen. Chestmir, nein, zwischen uns, wir stehen schon kurz davor. Cabrio, vor was? Chestmir geht.
Drinnen geht es weiter. Emma zu ihm, wenn Du Dich anklagen lassen möchtest, brauchst Du ja einen Verteidiger. Er, das kriege ich schon selbst hin. Sie, na, so gut kennst Du Dich wohl auch wieder nicht aus, ich würde Emmas Vorschlag nicht ablehnen. Er, Du weißt doch, eigentlich will ich mich gar nicht verteidigen, sonst hätte ich mir das Ganze ja auch sparen können. Sie, Deine Wege sind wirklich unergründlich. Er, aber es ist schon richtig, wo ich es einmal angeschoben habe, da muss ich es wohl auch durchziehen. Gut Emma, Du hast mein Mandat, oder bist Du doch gerade schwanger? Emma, da sei der Herr vor.
Einige Tage vergehen. Alca Cabrio klopft, darf man eintreten? Hier ist ein Brief für Sie, von Skoda, wie es scheint. Er, mich interessiert eigentlich nur, wann ich meinen Idefix wiederbekomme. Sie, dann lies doch erst mal. Er, würden Sie uns bitte allein lassen? Von Ihnen sind ja doch keine Neuigkeiten zu erwarten. Liest. „Wie wir recherchiert haben, sind Sie Eigentümer eines Skoda Oktavia vom Typ Shrink. Sie hatten sich für dieses weitgehend automatisierte Modell entschieden und das Angebot der höherwertigen Stretch Limousine ausgeschlagen. Jetzt scheint dieser Wagen Ihnen nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Leider haben Sie verabsäumt, das Blue Tooth Passwort zu ändern. Wie im Manual verzeichnet, ist dann eine Fremdsteuerung nicht auszuschließen und es wird dort dringend vorgeschrieben. Wir übersenden Ihnen jetzt ein neues Passwort, das Sie bitte über Handy eingeben. Es lautet 1357. Das ist gleichzeitig mit einem Upgrade auf autonomes Fahren verbunden. Sie brauchen nun nichts weiter zu tun, als das Ziel anzugeben und werden auf dem schnellsten Wege dorthingebracht.“ Er, wie eine Klage liest sich das nicht gerade. Ich werde das mal versuchen. Er gibt den Code ins Handy ein und der Sack beginnt sich zu regen. Er, ich glaube, unser unfreiwilliger Aufenthalt ist hiermit beendet. Komm Schatz, wir gehen.
Beide stehen an der Einfahrt zum Parkhaus. Idefix kommt angekurvt und durchbricht die Schranke. Alca Cabrio sieht das und versucht mit seinem Handy eine Verbindung herzustellen. Doch das gelingt ihm nicht mehr und die beiden steigen ein. Er, nach Hause bitte. Idefix, yes Sir, nach Hause. Sie, und die Scheibe? Idefix, Selbstreparatur vollzogen. Er, auch getönt? Idefix, ja getönt, ganz wie gewünscht. Sie, ich glaube, Kino ist doch Traumfabrik. Sie gibt ihm einen Kuss und sie brausen ab ohne dass das Lenkrad betätigt werden muss. Alca Cabrio schmeißt sein Handy in die Ecke.

Christian Rempel 29.10.2017